Ausgeprägte Nocebo-Effekte bei Bauchschmerzen

Bauchschmerzen werden von Patienten häufig als bedrohlich wahrgenommen. (Foto: © New Africa – stock.adobe.com)

Eine aktuelle Studie der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und der Universitätsmedizin Essen zeigt erstmals experimentell, dass viszerale Schmerzen besonders anfällig für starke Nocebo-Effekte sind.

Immer wieder schmerzt der Bauch, der Darm, die Eingeweide – aber die Ursache ist unklar und verschiedene Behandlungen greifen nicht. Viele Betroffene mit chronischen viszeralen Schmerzen haben einige negative Diagnose- und Therapieerfahrungen im medizinischen Bereich erlebt. Patienten sind oft frustriert – auch von der Kommunikation mit Ärzten.

Enttäuschung setzt sich bei chronischen, schmerzhaften, therapieresistenten Beschwerden wie viszeralen Schmerzen und beim Reizdarmsyndrom oft als negative Erwartung fest. Dies begünstigt was Nocebo-Effekte. Prof. Sigrid Elsenbruch, Projektleiterin im Sonderforschungsbereich (SFB 289) „Treatment Expectation“ an der Universitätsmedizin Essen, erforscht, wie Behandlungserwartungen die Bauchschmerzen und den Erfolg von Therapien beeinflussen. Mit ihrem Team untersuchte die Psychologin an 101 gesunden Probanden, wie Signale aus dem Darm und der darauffolgende viszerale Schmerz wahrgenommen werden. Zum Vergleich diente ein somatischer Hitzeschmerz auf der Haut am Unterbauch.

In einem Studiendesign, was an die klinische Realität angelegt war, förderte das Team negative Erwartungen bei den Probanden und untersuchte die Wirkung auf die Schmerzwahrnehmung. Vorerfahrungen mit Schmerzen war der zweite Aspekt, der als Einflussfaktor getestet wurde. Den Forschenden zufolge ist dies erste experimentelle Studie, die Nocebo-Effekte auf das Erleben von Schmerzen aus dem Körperinneren, an der Körperoberfläche sowie die gegenseitige Beeinflussung geprüft hat.

Emotionen und Erwartung als Einflussfaktoren

„Nocebo-Effekte sind bei viszeralen Schmerzen aus dem Körperinneren deutlich ausgeprägter und sie können durch Kommunikation, aber auch durch somatische Schmerzerfahrungen von der Körperoberfläche verstärkt werden“, fasst die klinische Wissenschaftlerin Dr. Jana Aulenkamp das Ergebnis zusammen. Diese Befunde bei Gesunden haben für Betroffene mit chronischen Schmerzen besonders weitreichende Implikationen. Denn diese haben häufig weitere Beschwerden in unterschiedlichen Körperbereichen. „So ist es zum Beispiel denkbar, dass eine andere Schmerzerkrankung wie erlebte Rückenschmerzen das Schmerzsystem hochreguliert, sodass dann Bauchschmerzen stärker wahrgenommen werden, auch wenn der Rückenschmerz längst vergangen ist“, erklärt Elsenbruch. Erfahrungen bei anderen somatischen Schmerzen übertragen sich somit auf den viszeralen Schmerz. Aulenkamp rät: „Behandle ich Patienten mit viszeralen Schmerzen, sollte ich mir bewusst sein, dass es Teil der individuellen Schmerzwahrnehmung ist, dass sie stark durch Kognition, Emotion und Erwartung beeinflussbar sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn Betroffene unter verschiedenen Schmerzarten leiden.“

Die Darm-Gehirn-Achse

Lange Zeit galten wiederkehrende Unterbauchschmerzen ohne nachweisliche Ursachen als typisch psychosomatische Beschwerden, die primär mit Stress zusammenhängen. Der Zusammenhang von Psyche und Darm ist aber sehr viel komplexer und vor allem keine Einbahnstraße vom Kopf zum Bauch. Vielmehr erfolgt die Kommuikation entlang der Darm-Gehirn-Achse in beide Richtungen. Die Informationen werden als neuronale Signale des zentralen Nervensystems über den Vagusnerv weitergeleitet, aber auch mithilfe von Darmmikroben, Hormonen und Botenstoffen.

Reizdarmpatienten zeigen zum Beispiel eine erhöhte Aufmerksamkeit für viszerale Reize und eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit. Verantwortlich sind die Störungen der Kommunikationswege entlang der Darm-Gehirn-Achse. Am Schmerzerleben und dessen Verarbeitung sind viele kognitive und emotionale Faktoren beteiligt. Stress und Angstgefühle können Nocebo-Effekte verstärken und die Funktionen der Gehirn-Darm-Achse beeinträchtigen.

Gelungene Kommunikation bei viszeralen Schmerzen

Den Forschenden zufolge kann eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation helfen, die Störung der Gehirn-Darm-Achse langfristig zu minimieren und die spürbaren Symptome des viszeralen Schmerzes direkt zu reduzieren. „Durch eine empathische und aufmerksame Zuwendung in der Kommunikation sowie die Betonung positiver Therapieergebnisse kann zumindest teilweise die Schmerzwahrnehmung quasi übeschrieben werden“, erklärt Elsenbruch. Das Autorenteam zieht aus der Studie an gesunden Probanden das Fazit: Wenn schon bei Gesunden die negative Erwartung bei viszeralem Schmerz viel relevanter ist als bei somatischen Schmerzen, sollte dies in der Klinik unbedingt stärker berücksichtigt werden.

In der Gastroenterologie, Gynäkologie, Bauchchirurgie und Herzchirurgie sollten Behandelnde daher kommunikativ gut geschult sein. „Man sollte in der Klinik wissen, dass Worte auf Patienten mit viszeralen Schmerzen viel stärker wirken als bei einem verletzten Fuß“, fasst Aulenkamp zusammen.