Bakterien-Signatur von Darmerkrankungen entdeckt

Eine gesunde Schleimschicht (rot) hält Escherichia coli (grün) in sicherem Abstand vom Epithel, der Zellschicht der Darmwand, und verhindert, dass sie in darunterliegendes Gewebe durchdringen. (Foto: © Bahtiyar Yilmaz, Universität Bern)

Forscher des Department for Biomedical Research der Universität Bern und der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Berner Inselspitals haben bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) charakteristische Veränderungen bei Darmbakterien identifizieren – eine Bakterien-Signatur, die den Krankheitsverlauf und Therapieerfolg beeinflusst. So könnte die Behandlung von Darmkrankheiten künftig vereinfacht und verbessert werden.

Zahllose Darmbakterien leben in Symbiose mit uns und sind essenziell für unsere Gesundheit. Wenn das empfindliche Gleichgewicht jedoch gestört wird, und sich die Zusammensetzung unserer Darmflora etwa durch die Ernährung oder die Einnahme von Medikamenten verändert, ändern sich auch Funktionen unserer Darmbakterien. Die Folge ist ein verschlechterter Gesundheitszustand, der zu CED führen kann. 

In der Schweiz hat die Zahl der Fälle über die letzten zehn Jahre stark zugenommen: von rund 12.000 Betroffenen im Jahr 2004 auf fast 20.000 im Jahr 2014. 

Nun hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Andrew Macpherson, Bahtiyar Yilmaz und Pascal Juillerat vom Department for Biomedical Research der Universität Bern und der Abteilung Gastroenterologie der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital Bern, entdeckt, dass Veränderungen in bestimmten Gruppen von Darmbakterien zu CED führen können. Sie zeigten zudem auf, dass diese Veränderungen in Bakteriengruppen sogar zu einem Rückfall beitragen können, nachdem bei Patienten Teile des entzündeten Darmtrakts chirurgisch entfernt wurden. Die Studie wurde im Journal “Nature Medicine” publiziert.

Netzwerke in der Darmflora

Die Forschenden untersuchten den Einfluss mehrerer klinischer Faktoren auf die Darmflora von 270 Patienten mit M. Crohn, 232 Patienten mit C. Ulcerosa und 227 gesunden Personen. Die Proben stammten aus zwei großen Patientenkohorten, einer Schweizer Kohorte (Swiss IBD Cohort) unter der Leitung von Professor Gerhard Rogler des Universitätsspitals Zürich mit Beteiligung von mehreren Spitälern in der Schweiz, und einer Berner Kohorte des Inselspitals. “Dass wir auf diese Daten zugreifen konnten, macht unsere Studie einzigartig”, sagt Yilmaz, Ko-Erstautor der Studie. “Die Detailgenauigkeit der klinischen Daten wie Krankheitsverlauf, Ansprechen auf Behandlungen oder Umwelteinflüsse standen vergleichbaren Studien bisher nicht zur Verfügung.”

Die Proben zeigten, dass die Darmflora von CED-Patienten sich grundlegend von der Darmflora von gesunden Personen unterscheiden – hauptsächlich durch eine Zunahme von Bakterienstämmen, die Darmerkrankungen auslösen, und einer Abnahme von Bakterien, die wichtig für die Darmgesundheit sind. Die Forschenden entdeckten zudem 18 neue Gruppen von Krankheitserregern. Zudem stellten sie fest, dass Alter und Fitness im Vergleich zum Lebensstil oder Behandlungsart einen größeren Einfluss auf die Krankheitsverläufe ausüben. Je sportlicher die Betroffenen waren, desto weniger Probleme hatten sie mit ihrer Krankheit.

Eine wichtige Rolle spielen Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren: Damit füttern sie unter anderem Zellen der Darmschleimhaut und stärken die Darmbarriere, die uns davor schützt, dass Nahrung und Bakterien ungehindert in den Blutkreislauf gelangen. Bei CED sind nun diese schützenden Bakteriengruppen reduziert. “Wir haben unterschiedliche Netzwerke innerhalb der Darmflora entdeckt, spezifische Signaturen, die einerseits mit einem schweren Krankheitsverlauf zusammenhängen, also einem Wiederaufflammen, und im Gegensatz dazu eine Bakterien-Signatur, die sich bei weniger schweren Verläufen und gutem Ansprechen auf eine Therapie findet”, sagt Macpherson, Leiter der Gruppe und Letztautor.

Algorithmen helfen bei der Suche

“Die sehr unterschiedlich schweren Krankheitsverläufe machen die Behandlung von CED schwierig” sagt Macpherson. “Je mehr wir über krankmachende oder gesundheitsfördernde Bakterien wissen, desto gezielter können wir diese aktivieren oder unterdrücken, um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.”

“Indem die unterschiedlichen Krankheiten eine jeweils spezifische Signatur von Bakterien-Netzwerken aufweisen, können wir diese für künftige Therapieansätze nutzen”, erklärt Pascal Juillerat, Ko-Erstautor. Beim Aufspüren der Bakterien-Signaturen kamen Algorithmen für maschinelles Lernen zum Einsatz. Diese werden auch künftig hilfreich sein bei der Suche nach Bakterienstämmen, die CED auslösen oder die Gesundheit fördern. Letztlich erhoffen sich die Forschenden, dass sich mittels Folgestudien die Prävention und Behandlung von CED verbessern und auch die Kosten für die Wirtschaft und das Gesundheitssystem gesenkt werden können.

Die Studie wurde unterstützt durch GutX-Programm der Schweizerischen Forschungsinitiaive SystemsX, und entstand aus einer Zusammenarbeit mit Prof. Jörg Stelling, ETH Zürich. Die Schweizer Kohorte wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt.