Bauchspeicheldrüsenkrebs: Stresstolerante Zellen treiben Entstehung des Tumors voran

Tumor-initiierende Zellen (blau) produzieren eine extrazelluläre Matrix, die Fibronektin (rosa) enthält, was ihnen eine erhöhte Stresstoleranz, Arzneimittelresistenz und Tumor-initiierende Eigenschaften verleiht. (Abbildung: © UC San Diego Health Sciences)

Die Ergebnisse einer neuen Studie könnten den Weg zu neuen Chemotherapeutika ebnen, die auf frühe Stadien der Tumorentstehung und -ausbreitung abzielen.

Forschende von der University of California (UC) San Diego School of Medicine (USA) haben einen molekularen Weg entdeckt, der offenbar für die Entstehung von Bauchspeicheldrüsentumoren entscheidend ist. Dieser Mechanismus könnte auch zur besonderen Resistenz dieser Tumoren gegenüber einer Chemotherapie sowie zu ihrer Neigung zur Metastasierung beitragen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Tumor-initiierende Zellen (TICs) in der Bauchspeicheldrüse zunächst den lokalen „Isolationsstress“ überwinden müssen, indem sie ihre eigene tumorfördernde Mikroumgebung schaffen und dann umliegende Zellen für dieses Netzwerk rekrutieren müssen. Indem sie auf diesen tumorinitiierenden Weg abzielen, könnten neue Therapeutika die Progression von Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie Rezidive und die Ausbreitung begrenzen.

In den frühen Stadien der Tumorbildung verlieren Krebszellen (solche mit kanzerösen Mutationen) den Zusammenhalt mit anderen Zellen und der extrazellulären Matrix. Diese Isolierung führt zu einem lokalen Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen. Die meisten Zellen überleben einen solchen Isolationsstress nicht – aber eine bestimmte Gruppe von Zellen schon.

TICs spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung, dem Wiederauftreten und der Metastasierung von Tumoren. Was sie von anderen Krebszellen unterscheidet, ist ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber für sie ungünstigen Bedingungen in der Frühphase. Wie Kakteen in der Wüste können sie sich an die widrigen Bedingungen anpassen und die Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung des Tumors schaffen.

„Unser Ziel war es zu verstehen, welche besonderen Eigenschaften diese TICs haben und ob wir das Wachstum und die Ausbreitung der Krebserkrankung kontrollieren können, indem wir sie stören“, erklärt Seniorautor Dr. David Cheresh, stellvertretender Leiter der Abteilung für Pathologie an der UC San Diego School of Medicine, der auch am UC San Diego Moores Cancer Center tätig ist.

Um diese Fragen zu beantworten, setzte Erstautor Dr. Chengsheng Wu, Mitarbeiter in Chereshs Labor, Pankreaszell-Linien verschiedenen Formen von Stress aus, darunter einem Mangel an Sauerstoff und Zucker. Anschließend identifizierte der Forscher diejenigen Zellen, die sich an die widrigen Bedingungen anpassen konnten und beobachtete, welche Gene und Moleküle in diesen Zellen verändert waren.

Die stresstoleranten TICs zeigten reduzierte Spiegel einer tumorunterdrückenden microRNA, miR-139-5p. Dies wiederum führte zur Hochregulierung des Lysophosphatidinsäure-Rezeptors 4 (LPAR4), eines G-Protein-gekoppelten Rezeptors auf der Zelloberfläche. „LPAR4 findet man normalerweise nicht auf ‚glücklichen‘ Zellen, wird aber unter Stressbedingungen aktiviert, um den Zellen beim Überleben zu helfen“, sagt Cheresh. „Das ist besonders vorteilhaft für TICs.“

Die Wissenschaftler stellten fest, dass die LPAR4-Expression die Produktion neuer extrazellulärer Matrixproteine förderte, was es den einzelnen Krebszellen ermöglichte, mit dem Aufbau ihrer eigenen tumorunterstützenden Mikroumgebung zu beginnen. Die neue extrazelluläre Matrix erwies sich als besonders reich an Fibronektin, einem Protein, das an Transmembranrezeptoren (Integrine) auf umgebenden Zellen bindet. Sobald die Integrine auf diesen Zellen das Fibronektin wahrnahmen, begannen sie, den Zellen ein Signal zur Exprimierung ihrer eigenen Tumor-initiierenden Gene zu senden. Schließlich wurden diese anderen Zellen in die Fibronektin-Matrix rekrutiert, die von den TICs vorbereitet wurde, und es begann sich ein Tumor zu bilden.

„Unsere Ergebnisse zeigen die entscheidende Rolle, die LPAR4 bei der Entstehung von Bauchspeicheldrüsentumoren spielt, ebenso wie eine wahrscheinliche Rolle bei anderen epithelialen Krebserkrankungen wie Lungenkrebs“, sagt Cheresh. „Es ist von zentraler Bedeutung für die Fähigkeit von TICs; Isolationsstress zu überwinden und ihre eigene Nische aufzubauen, in der sich Tumore bilden können.“

Laut den Forschenden ist aber Isolationsstress nicht die einzige Möglichkeit, wie dieser Signalweg ausgelöst werden kann: Auch Chemotherapeutika sollen Krebszellen unter Stress setzen. Tatsächlich fand Chereshs Team heraus, dass die Behandlung kultivierter Tumorzellen und Bauchspeicheldrüsentumoren bei Mäusen mit Standard-Chemotherapeutika auch zu einer Hochregulierung von LPAR4 führte. Die Forscher sagten, dies könnte erklären, wie solche Tumorzellen eine Stresstoleranz und Resistenz gegen die Medikamente entwickeln könnten.

Weitere Experimente zeigten auch, dass die Verwendung von Integrin-Antagonisten zur Blockade der Fähigkeit der Zellen, die Fibronektin-Matrix zu nutzen, den Vorteil der Stresstoleranz der LPAR4-Expression umkehrte. Daher schlagen die Studienautoren vor, auf den LPAR4-Weg abzuzielen oder die Fibronektin/Integrin-Wechselwirkung zu unterbrechen, um das Wachstum, die Ausbreitung und die Arzneimittelresistenz von Pankreastumoren zu verhindern.

„Wir können uns TICs in einem vorübergehenden Zustand vorstellen, der durch verschiedene Stressoren induziert werden kann. Unser klinisches Ziel wäre also, zu verhindern, dass onkogene Zellen jemals in diesen Zustand gelangen“, erläutert Cheresh. „Jetzt, da wir den Weg identifiziert haben, können wir all die verschiedenen Möglichkeiten bewerten, wie wir eingreifen können.“

Die Forschenden schlugen vor, dass ein neues Medikament, das auf diesen Weg abzielt, als Prophylaxe bei Patienten mit hohem Risiko für die Entwicklung der Erkrankung oder zur Verhinderung der Bildung neuer Tumore bei Krebspatienten mit hoher Metastasierungswahrscheinlichkeit eingesetzt werden könnte. Die Kombination eines solchen neuen Medikamentes mit bestehenden Chemotherapeutika, die reife Tumorzellen unter Stress setzen, könnte auch die Auswirkungen von Arzneimittelresistenzen abschwächen und Krebsbehandlungen wirksamer machen, glauben die Wissenschaftler.

„Krebs zu behandeln kann ein bisschen wie das Spiel Hau den Maulwurf‘ sein“, formuliert Cheresh. „Aber wenn wir zwei oder drei Hämmer haben und wissen, wo die Maulwürfe als nächstes auftauchen werden, können wir das Spiel gewinnen.“