Bestimmte Darmbakterien stehen mit besseren kognitiven und Sprachfähigkeiten männlicher Säuglinge in Zusammenhang

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Eine neue Studie kanadischer Forschender liefert überzeugende neue Evidenz für die Bedeutung von Darmbakterien für die neurologische Entwicklung.

Die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of Alberta geleitete Untersuchung beobachtete mehr als 400 Säuglinge aus der CHILD-Kohortenstudie am Standort Edmonton. Bei Jungen mit einem Darmmikrobiom, das im Alter von einem Jahr eine große Menge Bacteroidetes aufwies, stellte man ein Jahr später fortgeschrittene Fähigkeiten in puncto Kognition und Sprachfähigkeit fest. Der Befund war spezifisch für männliche Kinder.

„Es ist allgemein bekannt, dass weibliche Kinder (in jungen Jahren) höhere Werte erzielen, insbesondere in Bezug auf Kognition und Sprache“, erläutert die Pädiaterin Prof. Anita Kozyrskyj von der University of Alberta, leitende Forscherin des Labors SyMBIOTA (Synergy in Microbiota). „Aber wenn es um die mikrobielle Zusammensetzung des Darms geht, waren es die männlichen Säuglinge, bei denen wir diesen offensichtlichen Zusammenhang zwischen den Bacteroidetes und den verbesserten Ergebnissen sahen.“

„Die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Darmmikrobiom sind sehr subtil, aber wir wissen aus den Daten der CHILD-Kohortenstudie, dass Mädchen in jungen Jahren eher mehr dieser Bacteroidetes haben. Vielleicht haben die meisten Mädchen also eine ausreichende Anzahl von Bacteroidetes und das ist der Grund, warum sie bessere Ergebnisse erzielen als Jungen“, fügte Kozyrskyj hinzu.

Die Forscher unter der Leitung von Kozyrskyj und dem außerordentlichen Professor für Pädiatrie Piush Mandhane untersuchten Bakterien aus den Stuhlproben von Säuglingen und identifizierten drei verschiedene Gruppen mit ähnlichen dominanten Bakterien-Clustern. Anschließend bewerteten sie die Säuglinge auf einer Vielzahl von neuralen Entwicklungsskalen. Von diesen Gruppen zeigten nur die männlichen Säuglinge mit einer Bacteroidetes-dominanten Bakteriengemeinschaft Anzeichen einer besseren neuronalen Entwicklung.

Die Forschenden replizierten mit ihrer Arbeit vergleichbare Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie, in der ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Bacteroidetes und der neuralen Entwicklung gezeigt wurde.

Laut Kozyrskyj gehören Bacteroidetes zu den wenigen Bakterien, die Metaboliten namens Sphingolipide produzieren. Diese sind für die Bildung und den Aufbau von Neuronen im Gehirn maßgeblich.

„Es macht Sinn, dass, wenn man mehr von diesen Mikroben besitzt und somit mehr Sphingolipide produziert werden, eine gewisse Verbesserung in Bezug auf die Bildung von Neuronenverbindungen im Gehirn sowie bessere Ergebnisse in Bezug auf Kognition und Sprache zu sehen sein sollten“, sagt Kozyrskyj.

Laut der Forscherin ist die Kaiserschnittgeburt ein Faktor, der zu einem erheblichen Abbau von Bacteroidetes führen kann. Faktoren, die die Zusammensetzung der Darmmikrobiota bei Säuglingen positiv beeinflussen, sind das Stillen, eine ballaststoffreiche Ernährung, das Zusammenleben mit einem Hund und der Kontakt zur Natur und Grünflächen.

Obwohl die Ergebnisse nicht unbedingt bedeuten, dass Kinder mit einem geringeren Anteil an Bacteroidetes in der späteren Kindheit oder im Erwachsenenalter hinter ihren Altersgenossen zurückbleiben, glauben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Studie schon jetzt Hoffnung darauf macht, dass Kinder mit einem Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen möglicherweise so identifiziert werden können.

Die Arbeitsgruppe wird die an der CHILD-Studie teilnehmenden Säuglinge weiterhin beobachten, um festzustellen, ob die Ergebnisse Rückschlüsse auf Autismus oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zulassen. In Zukunft wollen die Forschenden auch eine Reihe weiterer Faktoren untersuchen, die sich auf die neurologische Entwicklung bei Säuglingen auswirken können – wie Stress und eine Darmbesiedelung durch das Bakterium Clostridium difficile.

„In den ersten ein bis zwei Lebensjahren ist das Gehirn sehr formbar“, erklärt Kozyrskyj. „Jetzt sehen wir einen Zusammenhang zwischen seiner Formbarkeit und dem Darmmikrobiom, und ich denke, das ist sehr wichtig.“