Blasenentzündung: Erstmal ohne Antibiotikum behandeln

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Harnwegsinfektionen werden oft sofort mit einem Antibiotikum behandelt. Noch immer zu wenig bekannt ist: Antibiotika sind bei diesem Krankheitsbild in vielen Fällen unnötig. Ihr unkritischer Einsatz trägt zudem zur Entstehung von Antibiotikaresistenzen bei. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI) hin. Unkomplizierte Blasenentzündungen heilen oft auch dann folgenlos aus, wenn lediglich die Symptome mit Schmerzmitteln gelindert werden.

„Die unkomplizierte Harnwegsinfektion gehört zu jenen Infektionen, bei denen oft vorschnell und unnötigerweise zu einem Antibiotikum gegriffen wird“, sagt Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI. „Sie sind nach den Atemwegsinfekten der häufigste Grund für Antibiotikaverschreibungen – hier besteht ein gewaltiges Einsparpotenzial in Sachen Antibiotikaverbrauch.“ Denn unnötiger und zu häufiger Einsatz von Antibiotika trägt dazu bei, dass immer mehr Bakterien gegen die wichtigen Arzneimittel resistent werden. 

In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten deutschen ICUTI-Studie zeigte sich, dass etwa zwei Drittel der 494 Patientinnen mit unkomplizierter Harnwegsinfektion auch ohne Antibiotikum wieder gesund wurden. Eine rein symptomatische Behandlung mit einem entzündungshemmenden Schmerzmittel reichte aus. Bei jeder dritten Patientin hielten die Symptome zu lange an oder verschlimmerten sich, sodass doch noch mit Antibiotika behandelt werden musste.

„Diese Erkenntnisse sollen jedoch keinesfalls als Aufforderung zur Selbsttherapie verstanden werden“, mahnt Fätkenheuer. Auch unkomplizierte Harnwegsinfektionen, die etwa 90 Prozent aller Harnwegsinfektionen ausmachen, seien ein Fall für den Arzt. In Absprache mit diesem könne die Therapie jedoch zunächst einmal ohne Antibiotika durchgeführt werden.

Auch zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen gibt es aktuelle Erkenntnisse, und zwar zu einem alten Ratschlag: Viel trinken beugt Blasenentzündung vor. „Die Wirksamkeit dieses alten Hausmittels ist nun auch wissenschaftlich gut belegt“, so Fätkenheuer. Eine Ende 2018 im Fachmagazin “JAMA” publizierte Studie zeigte: Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen profitieren stark von einer erhöhten Flüssigkeitsaufnahme. Indem sie ihre tägliche Trinkmenge von 1,5 auf drei Liter steigerten, konnten die Probandinnen die Zahl ihrer jährlichen Harnwegsinfektionen von durchschnittlich 3,3 auf 1,7 fast halbieren. Gleichzeitig sank auch die Zahl der Antibiotikaverschreibungen um nahezu die Hälfte.

Um die Entstehung von Antibiotikaresistenzen zu reduzieren, setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie unter anderem in ihrer Antibiotic Stewardship-Initiative für einen rationalen Einsatz von Antibiotika ein und bietet zu diesem Zweck Kurse und Erfahrungsaustausch für Ärzte an. Die DGI setzt sich zudem für eine Verbesserung der infektiologischen Versorgung und Ausbildung in Deutschland ein und fordert unter anderem die Schaffung einer Facharztausbildung mit dem Schwerpunkt Infektiologie.