Blutungskontrolle bei Herzoperationen: Prothrombinkonzentrat ist gefrorenem Plasma überlegen9. April 2025 Symbolfoto: ©Dmitriy Kandinskiy/stock.adobe.com Mit der Verwendung von Prothrombinkomplex-Konzentrat könnte das Risiko schwerer Blutungen im Rahmen einer Herzoperation um fast 50 Prozent gesenkt werden. Das zeigt eine Studie, die kürzlich auf dem Jahreskongress des American College of Cardiology vorgestellt und zeitgleich in „JAMA“ publiziert wurde. Bei bis zu 15 Prozent der Patienten, die sich einer Herzoperation unterziehen, kommt es zu übermäßigen Blutungen, die häufig durch eine Erschöpfung der Gerinnungsfaktoren verursacht werden. Eine Transfusion von gefrorenem Plasma ist die Standardbehandlung für diese Blutungen, da die Blutplättchen und Gerinnungsfaktoren im Plasma zusammenwirken, um die Blutung zu stoppen. Das sogenannte Vier-Faktoren-Prothrombinkomplex-Konzentrat (PPSB) scheint im Vergleich zur Standardbehandlung jedoch vorteilhaft zu sein, wie die neue multizentrische Studie FARES-II vermuten lässt. Bei Patienten, bei denen es während einer Herzoperation zu übermäßigen Blutungen kommt, war die Verwendung von PPSB wirksamer und verursachte weniger Nebenwirkungen als die Standardtherapie mit gefrorenem Plasma. Das Konzentrat reduzierte das Risiko der Patienten, eine schwere Blutung zu erleiden, im Vergleich zur Standardbehandlung um fast die Hälfte. „Patienten, die nach dem Zufallsprinzip einer Behandlung mit PPSB zugewiesen wurden, benötigten deutlich weniger Eingriffe zur Blutstillung, verloren weniger Blut, erhielten weniger Bluttransfusionen und hatten weniger chirurgische Komplikationen als Patienten, die nach dem Zufallsprinzip mit gefrorenem Plasma behandelt wurden“, sagt Erstautor und Studienleiter Keyvan Karkouti, Professor für Anästhesiologie in der Abteilung für Anästhesiologie und Schmerzmedizin an der Universität Toronto (Kanada). „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einsatz von PPSB zur Behandlung übermäßiger Blutungen während herzchirurgischer Eingriffe potenziell erhebliche Vorteile für die Patienten und das Gesundheitssystem mit sich bringt, da der Druck auf die Blutversorgung und andere Krankenhausressourcen verringert wird“, so Karkouti. Warum auf Prothrombinkonzentrat umsteigen? PPSB ist ein aus gepooltem Plasma gewonnenes Blutprodukt, das eine spezifische Kombination von Gerinnungsfaktoren und deren Gerinnungsinhibitoren enthält, die dazu beitragen, Blutungen zu stoppen, indem sie die Thrombinbildung unterstützen, die üblicherweise durch gefrorenes Plasma gefördert wird. PPSB enthält konzentrierte Gerinnungsfaktoren und muss nicht aufgetaut oder an die Blutgruppe des Patienten angepasst werden, wie es bei gefrorenem Plasma der Fall ist. Außerdem kann gefrorenes Plasma – wen auch selten – schwere allergische Reaktionen, durch Bakterien oder Viren im Plasma verursachte Infektionen, Schwellungen in der Lunge und eine Überladung des Kreislaufs mit Plasma hervorrufen. Da PPSB jedoch nicht alle Gerinnungsfaktoren enthält, die in gefrorenem Plasma enthalten sind, war nicht klar, ob es übermäßige Blutungen bei chirurgischen Patienten wirksam stoppen und das Risiko der Patienten für schädliche Blutgerinnsel nicht erhöhen würde. In zwei früheren Studien wurden zwar keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsansätzen gefunden, doch laut Karkouti waren diese Studien möglicherweise zu klein (jeweils 100 oder weniger Patienten), um einen Unterschied festzustellen, und es wurde möglicherweise eine zu niedrige PPSB-Dosis verwendet. Direkter Vergleich von Konzentrat und Plasma Die aktuelle Studie FARES-II wurde in zwölf Krankenhäusern in Kanada und den USA durchgeführt und umfasste 420 Patienten mit übermäßigen Blutungen während einer Herzoperation, bei der eine Herz-Lungen-Bypass-Maschine eingesetzt wurde. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 66 Jahren, 65 Prozent waren weiß und 74 Prozent waren Männer, was die Tatsache widerspiegelt, dass sich mehr Männer als Frauen einer Herzoperation unterziehen, so Karkouti. Im Operationssaal wurden Patienten, die übermäßige Blutungen entwickelten, nach dem Zufallsprinzip entweder mit einer Standarddosis PPSB oder mit gefrorenem Plasma behandelt. Eine zweite Dosis konnte verabreicht werden, wenn sie innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der ersten Dosis angeordnet wurde. Wenn eine weitere Behandlung über 24 Stunden hinaus erforderlich war, erhielten alle Patienten gefrorenes Blutplasma. Der primäre Endpunkt der Studie war das Ausbleiben eines zusätzlichen Eingriffs zur Blutstillung im Zeitraum zwischen einer Stunde und 24 Stunden nach Beginn der ersten Behandlungsdosis. Zu den sekundären Endpunkten gehörten schwere bis massive Blutungen, die Menge der transfundierten Blutprodukte und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, einschließlich Blutgerinnsel oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Operation. Weniger schwere Blutungen und Bluttransfusionen mit PPSB Nach 30 Tagen war bei Patienten, die mit PPSB behandelt wurden, die Wahrscheinlichkeit, dass ein zusätzlicher Eingriff zur Blutstillung erforderlich war, um 44 Prozent geringer als bei Patienten, die mit gefrorenem Plasma behandelt wurden, und die Wahrscheinlichkeit, dass schwere oder massive Blutungen innerhalb des Zeitraums von einem bis 24 Stunden nach Beginn der ersten Behandlungsdosis auftraten, um 49 Prozent geringer. Im Vergleich zu Patienten, die mit gefrorenem Plasma behandelt wurden, benötigten die mit PPSB behandelten Patienten 29 Prozent weniger Bluttransfusionen. Insgesamt war die Zahl der unerwünschten Ereignisse in den beiden Gruppen ähnlich. Bei den mit PPSB behandelten Patienten war jedoch die Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses um 25 Prozent geringer als bei den mit gefrorenem Plasma behandelten Patienten und die Wahrscheinlichkeit einer akuten Nierenschädigung um 45 Prozent geringer. Blutgerinnsel traten bei 8,5 Prozent der mit PPSB behandelten Patienten und bei 7,2 Prozent der mit gefrorenem Plasma behandelten Patienten auf, ein nicht statistisch signifikanter Unterschied. Sieben Patienten in der PPSB-Gruppe und acht in der Gruppe mit gefrorenem Plasma starben. Einsparpotential für gefrorenes Plasma Karkouti zufolge sollten diese Ergebnisse Anlass sein, die bestehenden Leitlinien für die Behandlung übermäßiger Blutungen bei Patienten zu überdenken, die sich komplexen kardiologischen Eingriffen wie Bypass-Operationen, Herzklappenersatzoperationen oder Operationen an der Aorta unterziehen. Gefrorenes Plasma ist eine knappe Ressource, die nicht nur für die Behandlung übermäßiger Blutungen verwendet wird, sondern auch für die Herstellung anderer, stark nachgefragter Therapien wie intravenöses Immunglobulin. „Die Verwendung von PPSB anstelle von gefrorenem Plasma könnte den Bedarf an gefrorenem Plasma in der Herzchirurgie erheblich reduzieren“, sagte Karkouti. Dadurch würde der Vorrat für andere Therapien frei. Studienlimitationen Die Studie hat einige Einschränkungen. Da die Therapien, die miteinander verglichen wurden, sehr unterschiedlich sind, war es nicht möglich, die behandelnden Ärzte zu verblinden. Jedoch waren sowohl die Patienten als auch die unabhängigen Prüfer, die die Studie bewerteten, verblindet. Eine weitere Einschränkung besteht laut Karkouti darin, dass die Ergebnisse der Studie möglicherweise nicht für Patienten verallgemeinert werden können, die aufgrund einer kürzlich erfolgten Behandlung bestimmter anderer Erkrankungen (z. B. eines Blutgerinnsels) von der Teilnahme ausgeschlossen wurden oder die sich gleichzeitig mit ihrer Herzoperation einer anderen Operation unterzogen.
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