CED: Genetischer Defekt als Einfallstor für bakterielle Entzündungen

Dünndarmkrypten von CED-Patienten mit unverändertem (links) und mutiertem (rechts) XIAP-Gen. Die Paneth-Zellen sind rot und die Zellkerne aller Zellen in einer Krypta blau markiert. (Abbildung: © Anne Strigli/Zentrum für Regenerative Therapien Dresden der TU Dresden)

Die Ursachen für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind nach wie vor unbekannt. Obwohl nachgewiesen wurde, dass Gene zum CED-Risiko beitragen, entwickelt nur eine Minderheit der Menschen, die genetische Risikovarianten in sich tragen, die Krankheit. Dies deutet darauf hin, dass andere Umweltfaktoren eine wichtige Rolle bei CED spielen.

Es ist bekannt, dass mehr als 200 verschiedene Genomregionen das Risiko für CED regulieren. Die Mechanismen, die das Zusammenspiel dieser Risikogene mit der Umwelt und die Entstehung von CED steuern, sind jedoch noch größtenteils unbekannt. „Das Zusammenspiel von Genetik und Umwelt macht CED zu einer sehr komplexen und schwer zu untersuchenden Krankheit”, sagt Prof. Sebastian Zeißig, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden und Professor für Molekulare Gastroenterologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.

Ein Team unter der Zeißigs Leitung untersuchte Mutationen in dem Gen X-linked Inhibitor of Apoptosis Protein (XIAP). Etwa 30 Prozent aller Menschen mit dieser genetischen Störung entwickeln eine CED, was zum einen auf einen bedeutenden genetischen Beitrag zur Erkrankung hinweist, zum anderen aber auch zeigt, dass weitere, bislang nicht bekannte Faktoren zur Erkrankung beitragen. Zeißig und seine Forschungsgruppe haben daher am Beispiel von XIAP-Mutationen untersucht, wie Wechselwirkungen zwischen Gendefekten und Umwelteinflüssen zur Entstehung einer CED führen können.

Ein Gendefekt, der die Immunantwort gegen Bakterien stört

Die Forschenden beobachteten, dass der Verlust des Gens XIAP bei Menschen und Mäusen mit Defekten in Paneth-Zellen im Dünndarm verbunden ist. „Paneth-Zellen sind entscheidend für die Kontrolle des Mikrobioms”, erklärt  Zeißig. „Diese Zellen produzieren kleine Moleküle, die als Antibiotika wirken. Wenn diese Moleküle in den Darm ausgeschieden werden, töten sie Bakterien ab. Auf diese Weise wird die Zusammensetzung des Mikrobioms kontrolliert und Bakterien daran gehindert, in das Darmgewebe einzudringen.“ Ohne funktionierendes XIAP Gen zeigten Paneth-Zellen eine gestörte Produktion und Freisetzung antimikrobieller Moleküle. Dies wiederum führte zu einem Ungleichgewicht im Mikrobiom.

Gen-Umwelt-Interaktionen in der Entstehung von CED

„Die faszinierende Beobachtung war, dass die Mäuse trotz dieser Darmdefekte keine Entzündung entwickelten”, betont Zeißig. Erst nach der Einführung eines bestimmten Bakteriums, das für normale Mäuse harmlos ist, entwickelten Mäuse mit Defekten in XIAP eine Darmentzündung, die CED ähnelte. „Dies könnte erklären, warum die Mehrheit der Patienten, die Mutationen in diesem Gen haben, keine chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen entwickeln. Diese genetische Konstellation führt zwar zu einer anfälligeren Umgebung, jedoch ist es erst der Kontakt zu bestimmten Bakterien, der die Entzündung letztendlich auslöst”, erklärt Zeißig.

Potenzial für neue Therapeutika

Nachdem das Team beobachtet hatte, dass der Verlust des XIAP-Gens zu Schäden an Paneth-Zellen und einem veränderten Mikrobiom führte, testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine mögliche Intervention. Sie führten dazu Mäusen mit dem Gendefekt wieder antimikrobielle Moleküle zu, die ähnlich sind zu denen, die von gesunden Paneth-Zellen produziert werden. „Wir konnten beobachten, dass diese antimikrobielle Moleküle eine Darmentzündung verhindern konnten, selbst wenn die krankheitsverursachenden Bakterien vorhanden waren.“

Diese Ergebnisse deuten auf neue Möglichkeiten für personalisierte CED-Therapien hin. „Es bleibt abzuwarten, ob die antimikrobiellen Moleküle eine potenzielle therapeutische Option sein könnten, nicht nur für Menschen mit XIAP-Mutationen, sondern auch für Menschen mit anderen genetischen Störungen, die zu Paneth-Zell-Defekten und CED führen können”, fügt Zeissig hinzu.