CED: Schmerzempfindliche Neuronen im Darm schützen vor Entzündungen

Die Abbildung zeigt Neuronen (rot) in den glatten Muskelschichten (grün) des Dickdarms einer Maus. (Abbildung: © Peng Zeng)

Neuronen, die Schmerzen wahrnehmen, schützen den Darm vor Entzündungen und damit verbundenen Gewebeschäden, indem sie das Darmmikrobiom regulieren. Das geht aus einer Studie von Forschenden der Weill Cornell Medicine (USA) hervor.

Die Wissenschaftler fanden mithilfe eines präklinischen Modells heraus, dass schmerzempfindliche Neuronen im Darm das Molekül Substanz P absondern, das vor Darmentzündungen und damit verbundenen Gewebeschäden zu schützen scheint, indem es die Population nützlicher Mikroben im Darm erhöht. Die Studienautoren stellten auch fest, dass diese schmerzempfindlichen Nerven bei Menschen mit Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) zahlenmäßig verringert sind, mit erheblichen Störungen ihrer schmerzsignalisierenden Gene.

„Diese Ergebnisse verändern unser Denken über chronisch-entzündliche Erkrankungen und eröffnen einen völlig neuen Ansatz für therapeutische Interventionen“, erklärt der Seniorautor der Studie, Dr. David Artis, Direktor des Jill Roberts Institute for Research in Inflammatory Bowel Disease sowie Leiter des Friedman Center for Nutrition and Inflammation. Artis ist außerdem Michael-Kors-Professor für Immunologie an der Weill Cornell Medicine.

Der Erstautor der Studie, Dr. Wen Zhang, Postdoktorand im Artis-Labor, fügt hinzu: „Die Definition einer bisher unbekannten sensorischen Funktion dieser spezifischen Neuronen bei der Beeinflussung der Mikrobiota liefert eine neue Ebene des Verständnisses der Wirt-Mikrobiota-Interaktionen.“

In der neuen Studie untersuchtenArtis und sein Team speziell Schmerzneuronen, die den Darm innervieren. Diese Schmerzneuronen, deren Zellkörper in der unteren Wirbelsäule sitzen, exprimieren ein Oberflächenprotein namens TRPV1, das als Rezeptor für schmerzbezogene Signale dient. TRPV1 kann zum Beispiel durch große Hitze, Säure und Capsaicin aktiviert werden – und das Gehirn übersetzt diese Aktivierung in ein Gefühl von brennendem Schmerz. Die Forscher fanden heraus, dass das Abschalten dieser TRPV1-Rezeptoren in Darmnerven oder das Löschen von TRPV1-exprimierenden Neuronen in CED-Mausmodellen zu viel schlimmeren Entzündungen und Gewebeschäden führte, während die Aktivierung der Rezeptoren eine schützende Wirkung hatte.

Die Forscher beobachteten, dass die Verschlechterung der Entzündung und der Gewebeschädigung bei Mäusen mit TRPV1-Blockade mit Veränderungen in den relativen Populationen verschiedener Arten von Darmbakterien einhergingen. Als diese veränderte Bakterienpopulation in normale Mäuse transplantiert wurde, verursachte sie die gleiche verstärkte Anfälligkeit für Entzündungen und Schäden. Im Gegensatz dazu konnte eine Behandlung mit Breitbandantibiotika diese Anfälligkeit sogar bei Mäusen mit TRPV1-Inhibition umkehren. Dieses Ergebnis zeigt laut den Forschenden, dass TRPV1-exprimierende Nerven den Darm hauptsächlich dadurch schützen, dass sie dazu beitragen, eine gesunde Population von Darmmikroben aufrechtzuerhalten.

Die Wissenschaftler fanden starke Evidenz dafür, dass ein großer Teil dieser Mikroben beeinflussenden Wirkung TRPV1-exprimierender Nerven auf das von ihnen abgesonderte Molekül Substanz P zurückzuführen ist. Die Forschenden hatten beobachtet, dass Substanz P die meisten schädlichen Wirkungen der Blockade von TRPV1 von sich aus umkehren konnte. Experimente deuteten auch darauf hin, dass die Signalübertragung zwischen Neuronen und Mikroben wechselseitig war – einige Bakterienarten können demnach TRPV1-exprimierende Nerven aktivieren, um sie dazu zu bringen, mehr Substanz P zu produzieren.

Um die Relevanz für den Menschen zu bestätigen, untersuchten die Studienautoren Darmgewebe von CED-Patienten und fanden eine anormale TRPV1- und Substanz-P-Genaktivität sowie insgesamt weniger Anzeichen von TRPV1-Nerven. „Diese Patienten wiesen gestörte schmerzempfindliche Nerven auf, was möglicherweise zu der chronischen Entzündung beigetragen hat“, berichtet Zhang.

Wie genau Substanz P auf die Darmmikrobenpopulation wirkt und wie diese Mikroben darauf reagieren, sind Fragen, die die Forschenden nun in noch laufenden Studien zu beantworten versuchen. Die bisherigen Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die nächste Generation entzündungshemmender Medikamente zur Therapie bei CED und anderen Erkrankungen Verbindungen sein könnten, die auf das Nervensystem abzielen.

„Viele aktuelle entzündungshemmende Medikamente wirken nur bei einigen Patienten, und die Pharmaindustrie weiß nicht, warum“, erklärt Artis. „Vielleicht liegt es daran, dass wir bei chronischen Entzündungen bislang nur einen Teil des Gesamtbildes gesehen haben – und jetzt beginnt der Rest, einschließlich der Rolle des Nervensystems, in den Fokus zu rücken.“