Chamäleon Zöliakie: Aktualisierte S2K-Leitlinie ist erschienen

Foto: © Johanna Mühlbauer/stock.adobe.com

Unter Mitwirkung von Expertinnen und Experten aus der Gastroenterologie, Kindergastroenterologie, Pathologie, Genetik, Ernährungsmedizin, Ernährungswissenschaft und Mitgliedern der Patientenselbsthilfegruppe Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) ist die S2K-Leitlinie „Zöliakie“ aktualisiert worden.

Die Leitlinie soll den Weg zur gesicherten Diagnosestellung verkürzen und die Beratungskompetenz bei den Behandelnden stärken, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Verschiedene große epidemiologische Studien haben übereinstimmend gezeigt, dass ungefähr ein Prozent der Bevölkerung Europas von einer Zöliakie betroffen ist. „Die Symptome der Zöliakie und die Erkrankungssituationen der Betroffenen sind unglaublich variabel. Um dieser Komplexität zu begegnen, haben wir Übersichten geschaffen. Diese stellen die Zöliakie-Symptomatik, mögliche Differentialdiagnosen, bei denen Zöliakie erwogen werden sollte und genetische Syndrome, Autoimmunerkrankungen sowie Konstellationen mit einem erhöhten Zöliakie-Risiko strukturiert dar“, sagt Leitlinienkoordinator PD Michael Schumann, Oberarzt der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité Berlin. Erklärtes Ziel sei es, Ärztinnen und Ärzten einfache Vorgehensweisen aufzuzeigen, um bei einem Verdacht die Diagnose Zöliakie schneller stellen zu können oder diese auszuschließen.

In der Diagnostik selbst galt lange Zeit eine Gewebeprobe aus dem Duodenum als Goldstandard. In der aktualisierten Leitlinie wird jedoch insbesondere die Diagnostik mittels Serologie gestärkt. „Es ist möglich im Serum Antikörper nachzuweisen, die nur bei einer Zöliakie auftreten. Die sogenannte Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTg-IgA). Der im Serum des Patienten ermittelte Titer, also die Antikörperkonzentration im Serum, erlaubt eine sehr präzise Diagnostik,. Daher empfehlen wir bei Verdacht auf Zöliakie als ersten Schritt die serologische Untersuchung. Im nächsten Schritt, bei einem positiven Befund, führen wir dann eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), also eine Magenspiegelung, durch“, erklärt Leitlinienkoordinator Dr. Jörg Felber, leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik II am RoMed Klinikum Rosenheim. Das gelte zumindest für Erwachsene. Bei Kindern kann eine ÖGD zur Diagnosestellung umgangen werden: Sofern der tTg-IgA-Titer das Zehnfache des oberen Normwertes übersteigt und das Ergebnis in einer zweiten Serumprobe zur Bestimmung eines zweiten Antikörpers, des Endomysium-IgA, bestätigt wird.

Ein Faktor erschwert allerdings die Diagnosestellung in der Erfahrung der Expertinnen und Experten erheblich: „Schon vor der gesicherten Diagnose verzichten viele Menschen auf Gluten in Ihrer Ernährung. Mit unseren diagnostischen Tests messen wir jedoch die Reaktionen des Immunsystems auf Gluten – auch den langfristigen Effekt, den Gluten auf die Darmschleimhaut hat. Fehlen Antikörper im Blut oder Entzündungszeichen der Darmschleimhaut, ist eine eindeutige Diagnose oft nicht möglich. So entstehen dann falsch-negative Ergebnisse“, erläutert Schumann. Die aktualisierte Leitlinie enthält deswegen auch praxisnahe Empfehlungen zur Durchführung einer Gluten-Reexposition, also der Wiederaufnahme von Gluten in die Ernährung, zum Zwecke der adäquaten Diagnosestellung. Zudem wird auf die weitere Labordiagnostik bei Erstdiagnose und das regelmäßige Monitoring der Zöliakie-Betroffenen eingegangen.

Das Therapiemittel der Wahl bei Zöliakie stellt die strikte, lebenslange Elimination von Gluten in der Ernährung dar. Daher stärkt das Therapiekapitel der Leitlinie die ernährungsmedizinische Kompetenz behandelnder Ärztinnen und Ärzte, um Patientengespräche besser führen zu können. Denn das wichtigste sei, gemeinsam mit professionellen Ernährungstherapeutinnen und -therapeuten Betroffenen zu helfen, selbst Kompetenzen und Wissen in Bezug auf ihre Ernährung aufzubauen, erklärt Felber.