Chemisch veränderte Pflanzenstoffe wirken gegen das Hepatitis-E-Virus27. Juni 2022 Daniel Todt und Mara Klöhn vom Team der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der RUB im Botanischen Garten, wo auch Mahagonigewächse gedeihen, die Rocaglamide produzieren. (Foto: © Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie) Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist weit verbreitet, und bisher gibt es kein wirksames Medikament. Auf der Suche danach sind die Rocaglamide in den Fokus gerückt: Pflanzenstoffe, die die Vermehrung von Viren hemmen können. Forschende der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben eine Bibliothek chemisch veränderter Rocaglamide auf ihre antivirale Wirkung untersucht, die ein Team aus Boston erstellt hat. Dabei stach besonders eine Gruppe von Wirkstoffen hervor, die über eine Amidino-Gruppe verfügt. Sie hemmte die Virenvermehrung besonders effektiv. Pflanzenstoffe hemmen die Vermehrung von Krebszellen und Viren Rocaglamide sind eine Gruppe von pflanzlichen Stoffen, die von verschiedenen Mahagonipflanzen produziert werden. Es ist bekannt, dass sie eine hemmende Wirkung auf die Vermehrung mancher Krebszellen besitzen. Erst 2008 wurden erstmals Erkenntnisse über ihre antivirale Wirkung gegen RNA-Viren veröffentlicht: So können sie zum Beispiel die Vermehrung von Ebolaviren, HEV, Zikaviren oder auch SARS-Cov-2 hemmen. Das Bostoner Team um Prof. John Porco Jr. hat eine Bibliothek von Rocaglamiden mit verschiedenen chemischen Veränderungen erstellt. „Die Kernstruktur der insgesamt 205 Substanzen ist immer gleich, und daran wurden verschieden große oder flexible chemische Gruppen angehängt“, erklärt Mara Klöhn. Diese 205 Substanzen hat die Bochumer Gruppe auf ihre Wirksamkeit gegen HEV in Zellkultur getestet. Dazu verwendeten die Forschenden Krebszelllinien und HEV-Genome, die mit einem Reportergen versehen sind. Anhand der Menge des produzierten Proteins, dessen Bauplan in diesem Reportergen liegt, können sie genau messen, wie erfolgreich sich das Virus in Anwesenheit verschiedener Substanzen vermehrt. Veränderte Rocaglamide wirken stärker als naturbelassene Wie stark eine Substanz die Vermehrung der Viren hemmt, geben die Forschenden mittels einer mittleren inhibitorischen Konzentration an. Je niedriger sie ist, umso besser wirkt die Substanz. „Die mittlere inhibitorische Konzentration unserer drei besten getesteten Rocaglamide liegt zwischen 0,5 und 3 nanomolar“, berichtet Klöhn. „Zum Vergleich: Der des natürlichen Rocaglamids Silvestrol liegt bei drei bis sieben nanomolar.“ Eine Gemeinsamkeit der Top-3-Rocaglamide ist eine angehängte Amidino-Gruppe. Da Rocaglamide auch eine zellschädigende Wirkung haben, die sich besonders bei Krebszellen bemerkbar macht, untersuchten die Forschenden diese Toxizität auch an gesunden Leberzellen vom Schwein. „Hier war die Toxizität geringer als in der Zellkultur, die ja auf Krebszelllinien basiert“, so Klöhn. Weitere Studien müssten die Wirksamkeit und Toxizität der erfolgreichsten getesteten Substanzen im Organismus untersuchen. „Man könnte auch versuchen, die besten Amidino-Rocaglamide chemisch weiter zu optimieren, sodass sie noch stärker gegen die Virusvermehrung wirken“, blickt sie optimistisch in die Zukunft. Das Hepatitis-E-Virus ist der Hauptverursacher akuter Virus-Leberentzündungen. Jährlich erkranken weltweit geschätzt 20 Millionen Menschen daran, rund 70.000 von ihnen sterben. Akute Infektionen heilen bei Betroffenen mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Personen mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-infizierten Patienten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich. Ribavirin ist der einzige bisher im Einsatz befindliche Wirkstoff, der aber nicht in allen Fällen wirkt. Die Arbeiten wurden gefördert vom Bundesgesundheitsministerium (Förderkennzeichen ZMVI1-2518FSB705), dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt Silvir, 16GW0202 und VirBio 01KI2106), sowie den National Institutes of Health (R35GM118173, U01TR002625).
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