Gendereffekte in der Chirurgie: Alleinige Behandlung durch männliche Operateure erhöht postoperatives Risiko von Patientinnen18. März 2022 Foto: © hin255/stock.adobe.com Werden Frauen von männlichen Chirurgen operiert, haben sie nach dem Eingriff ein um bis zu 15 Prozent höheres Risiko für Komplikationen als Frauen, die von Chirurginnen behandelt wurden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung kanadischer Forschender, die kürzlich in der Zeitschrift „JAMA Surgery“ erschienen ist.1 Die Ergebnisse werfen nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) ein Schlaglicht auf die Geschlechterfrage in der „Männerdomäne Chirurgie“: Denn in Deutschland liegt der Frauenanteil in der Chirurgie noch immer bei unter einem Viertel. Um zu untersuchen, welche Auswirkungen das Geschlecht von Behandelnden und Behandelten auf das Operationsergebnis hat, hatte die kanadische Arbeitsgruppe retrospektiv die Behandlungsdaten von mehr als 1,3 Millionen Erwachsenen im Alter von mindestens 18 Jahren aus der kanadischen Provinz Ontario analysiert. Diese hatten sich zwischen 2007 und 2019 geplanten oder dringlichen chirurgischen Eingriffen unterzogen. Insgesamt mehr als 2900 Chirurginnen und Chirurgen hatten die Operationen durchgeführt. Das Ergebnis der Untersuchung ist besorgniserregend: „In der Konstellation ‚Männlicher Operateur, weiblicher Patient‘ traten der Analyse zufolge deutlich häufiger postoperative Komplikationen bis hin zum Tod der Patientin auf“, berichtet Prof. Natascha C. Nüssler, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) im Vorfeld des 139. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (06.-08.04.2022, Leipzig). In anderen Geschlechterkonstellationen fand die Studie kein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Dass sich ein Geschlechterunterschied zwischen Arzt und Patient vornehmlich negativ auf die Gesundheit der weiblichen Behandelten auswirken kann, ist auch aus anderen Fächern bekannt. „Auch nach einem Herzinfarkt haben Patientinnen, die von einem Arzt behandelt werden, ein höheres Risiko zu versterben als männliche Patienten, die von einer Ärztin behandelt werden“, so die Chefärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie der München Klinik Neuperlach.2 Zu den möglichen Ursachen sagt Nüssler: „Eine Erklärung wäre, dass männliche Ärzte die Schwere von Symptomen ihrer Patientinnen eher unterschätzen oder Frauen Hemmungen haben, gegenüber einem männlichen Arzt Schmerzen zu offenbaren.“ Ein Ausweg, diese gesundheitsgefährdenden negativen Gendereffekte zu reduzieren, seien gemischtgeschlechtliche Ärzteteams. „Dafür müsste der Frauenanteil in der Chirurgie jedoch deutlich steigen“, sagt die DGAV-Präsidentin. Denn laut Statistik der Bundesärztekammer lag dieser 2020 bei nur rund 22 Prozent.3 „Die Mehrheit der Medizinstudierenden ist zwar seit Jahren weiblich, doch scheint die Chirurgie für die meisten Studentinnen bei der Facharztwahl nicht attraktiv zu sein“, stellt Nüssler fest. Dies liege vermutlich auch an fehlenden weiblichen Vorbildern. „Während in der Viszeralchirurgie der Frauenanteil insgesamt bei knapp 30 Prozent liegt, sind Führungspositionen weiterhin nur zu wenig mehr als zehn Prozent weiblich besetzt“, konstatiert die Chefärztin. Gerade diese Tatsache mache die Chirurgie für Studentinnen, die ein Weiterbildungsfach suchen, unattraktiv. „Die Anziehungskraft eines Faches für Studierende und Berufsanfänger hängt stark mit Role-Models zusammen“, sagt Nüssler. Um dies zu ändern, ließ die DGAV im Jahr 2022 erstmals alle ihre Sitzungen auf dem Chirurgenkongress gemeinsam von einer Chirurgin und einem Chirurgen leiten. Die DGAV habe sich außerdem verpflichtet, diese paritätische Verteilung der Sitzungsleitungen auch zukünftig beizubehalten. „Damit wollen wir die Sichtbarkeit der vielen hochqualifizierten Kolleginnen erhöhen, damit sie Studentinnen und Berufsanfängerinnen als Vorbilder dienen können“, so die DGAV-Präsidentin.
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