Chronische Hepatitis-D-Infektion: Gefährlich und oft unerkannt

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In einer Screening-Studie haben Forschende gezeigt, dass Infektionen mit dem Hepatitis-D-Virus oft unerkannt bleiben. Eine lückenlose Testung erhöhte aber die Diagnoserate.

Wie die Autoren von der Medizinischen Universität (MedUni) Wien (Österreich) berichten, sind Schätzungen zufolge mehr als 40.000 Personen in Österreich chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. Bei circa einem Prozent der österreichischen Betroffenen liegt eine Koinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus vor, die als aggressivste Form der chronischen Virushepatitis gilt. Aufgrund mangelnder Testung bleibe die heute gut behandelbare Erkrankung jedoch häufig unerkannt. Das Team führte dazu eine groß angelegte Screening-Untersuchung auf Hepatitis D bei 560 Hepatitis-B-Patienten am Universitätsklinikum AKH Wien durch. Die Ergebnisse dieser Studie, federführend von Johannes Bernhard und Michael Schwarz (beide von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien) durchgeführt, wurde nun in der Fachzeitschrift “Scientific Reports” veröffentlicht.

Hepatitis B: Sofort an D denken

Patienten, die keine klassischen Risikofaktoren aufweisen, werden häufig erst spät im Leben oder sogar niemals auf das Vorliegen einer Koinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus getestet. Bei manchen Hepatitis-B-Patienten bleibt die Erkrankung somit häufig lange unerkannt. „Vor allem für Patientinnen und Patienten mit rasch fortschreitenden Verläufen kann das schwerwiegende Folgen haben, die durch eine frühzeitige Diagnose und rasche Etablierung einer antiviralen Therapie oft verhindert werden können“, sagt Mathias Jachs, koordinierender Letztautor der nun veröffentlichten Studie.

In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei Schwerpunktspitälern wie dem Universitätsklinikum AKH Wien bei bis zu sechs Prozent der Hepatitis-B-Fälle eine Koinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus vorliegt. Bei in den Spezialambulanzen der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie versorgten Hepatitis-B-Patienten betrug die Rate der Hepatitis-D-Koinfektionen sogar fast zehn Prozent. Einige der Patienten wiesen keine der etablierten Risikofaktoren für Hepatitis D auf und wären somit selbst bei lückenloser Testung anhand etablierter Kriterien unerkannt geblieben. Eine solche lückenlose Testung aller mit Hepatitis B infizierten Personen trug somit maßgeblich zur Erhöhung der Detektionsrate bei. „Viele der Patientinnen und Patienten hatten bereits eine fortgeschrittene Lebererkrankung. Durch gut verträgliche und hoch wirksame Therapien kann bei diesen Patient:innen das Fortschreiten der Erkrankung und somit das Auftreten von schwerwiegenden Komplikationen vermieden werden“, berichtete Jachs über das positive Ergebnis der in der Studie untersuchten Strategie der „Reflextestung“.

Reflextestung als Vorbild

Eine im verarbeitenden Labor automatisierte Reflextestung auf das Hepatitis-D-Virus bei erstmals am Zentrum vorstelligen Patienten mit chronischer Hepatitis B ist aufgrund der Seltenheit beider Erkrankungen mit geringem Personal- und Kostenaufwand verbunden. „Die Reflextestung sollte als vergleichsweise simple Maßnahme somit österreichweit möglichst flächendeckend erfolgen. Am Universitätsklinikum AKH Wien ist dieses Verfahren mittlerweile gut etabliert und unterstreicht unseren hohen Qualitätsstandard in der Versorgung von Patient:innen mit chronischen Virushepatitis-Infektionen“, zieht Letztautor Prof. Thomas Reiberger und Leiter der Spezialambulanz für virale Lebererkrankungen am Universitätsklinikum AKH Wien eine positive Bilanz. „Wir hoffen sehr, dass unser Ansatz auch an anderen Kliniken in Österreich Anklang findet und damit zur Verbesserung der Diagnose- und somit Behandlungsraten der – in Österreich seltenen – Hepatitis-D-Erkrankung beiträgt“, erklären die Forschenden.