Clostridioides difficile: Neuer Wirkstoffkandidat gegen hartnäckigen Darmerreger gefunden25. April 2023 Elektronenmikroskopische Aufnahme von Clostridioides difficile. (Foto: © Rabea Schlüter/Metzendorf & Schlüter/Universität Greifswald) Infektionen mit Clostridioides difficile rezidivieren durch im Darm verbliebene Dauerstadien häufig. Ein Medikament, das auch die Dauerstadien wirksam bekämpft, gibt es bislang nicht. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass der Naturstoff Chlorotonil A (ChA) genau das kann. Die One-Health-Studie unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Friedrich-Loeffler-Institutes (FLI) entstand in enger Kooperation mit dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) – einem Standort des HZI in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes –, der Universität Greifswald sowie dem Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH. ChA ist ein Wirkstoffkandidat, mit dem das Risiko für Reinfektionen mit C. difficile künftig deutlich verringert werden könnte, hofft das Forschungsteam. „Eine Infektion mit dem bakteriellen Erreger C. difficile kann zu schweren Durchfallerkrankungen bei Mensch und Tier führen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das natürliche Mikrobiom des Darms gestört ist, etwa durch eine vorherige Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum“, sagt Prof. Till Strowig, Leiter der Abteilung Mikrobielle Immunregulation am HZI. „Dann findet C. difficile im Darm ideale Bedingungen vor und kann sich ungehindert vermehren – was zu schweren Durchfällen und Darmentzündungen führt, die auch chronisch werden können.“ Der Grund dafür ist, dass der Erreger Dauerstadien ausbildet, die im Darm verbleiben und zu einem späteren Zeitpunkt – wenn die Bedingungen für ihn günstig sind – erneut zu einer Infektion führen können. Da die C.-difficile-Infektion ebenfalls antibiotisch behandelt werden muss, und sich das Mikrobiom des Darms so nicht erholen kann, entsteht ein regelrechter Teufelskreis. Bei bis zu 25 Prozent der erstmalig Erkrankten treten später weitere Infektionen mit C. difficile auf. Etwa zehn Prozent der erneut erkrankten Patienten versterben an den Folgen der Reinfektion. „Die Antibiotika, die zur Behandlung einer C.-difficile-Infektion heute üblicherweise eingesetzt werden, sind leider nicht so effektiv und nachhaltig wirksam, wie man sich das wünschen würde. An dieser Problematik setzt unsere Studie an“, sagt Strowig, der die großangelegte multidisziplinäre Kooperationsstudie gemeinsam mit Prof. Thilo Fuchs, stellvertretender Leiter des Institutes für molekulare Pathogenese am FLI, leitete. „Wir wollten herausfinden, ob und in welchem Maße der Naturstoff ChA – er wird aus einem Bodenbakterium gewonnen – gegenüber C. difficile wirksam ist, und wie er darüber hinaus das Mikrobiom des Darms beeinflusst“, sagt Fuchs. Am HIPS wird seit mehr als zehn Jahren intensiv an ChA und dessen chemischen Varianten geforscht, um sie als potenzielle pharmazeutische Wirkstoffe zu verbessern und für eine mögliche zukünftige Anwendung am Menschen zu optimieren. Vor dem Hintergrund zunehmender Resistenzen ist die Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe dringend notwendig – und die Chlorotonilvarianten sehen die Forschenden als vielversprechende Wirkstoffkandidaten. „ChA hat ein breites antibiotisches Wirkspektrum gegenüber grampositiven Bakterien und bekämpft zum Beispiel effektiv den Krankenhauskeim Staphylococcus aureus, auch bekannt unter MRSA. Darüber hinaus wirkt ChA auch gegen den Malariaerreger“, sagt Prof. Rolf Müller, geschäftsführender Direktor des HIPS und Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe am HIPS sowie Koordinator des Bereiches „Neue Antibiotika“ am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). „Für unsere Studie haben wir die beiden Wirkstoffkandidaten ChA und Chlorotonil B1-Epo2 ins Rennen geschickt. Uns hat dabei interessiert, wie sich ihre Wirksamkeit im Vergleich zu der des Antibiotikums Vancomycin verhält, das häufig bei Infektionen mit C. difficile eingesetzt wird.“ Für ihre Untersuchungen hat sich das Forschungsteam dabei eines breiten Methodenspektrums bedient und die Expertisen aller beteiligten Forschungseinrichtungen zusammengeführt. Es kamen mikrobiologische Methoden, Tiermodelle sowie modernste molekularbiologische Methoden (Multi-Omics) zum Einsatz. „Der multidisziplinäre Ansatz unserer Studie war ausschlaggebend dafür, dass wir so umfassende und ausgesprochen zufriedenstellende Ergebnisse erzielen konnten“, sagt Strowig, der auch am DZIF im Bereich „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ forscht. Sein Kollege Fuchs fügt hinzu: „Ein besonderes Merkmal unserer Studie war die komplementäre Integration aller Daten in ein Modell, das die Bekämpfung zoonotischer Erkrankungen erleichtern kann.“ Mikrobiologische Untersuchung zweier Chlorotonilvarianten In mikrobiologischen Untersuchungen fanden die Forschenden heraus, dass die beiden Chlorotonilvarianten ähnlich gut gegen C. difficile wirkten wie Vancomycin. Ebenso wirksam erwies sich ChA im Mausmodell. „In den Versuchsreihen mit den Mäusen wurden die Antibiotika nach einiger Zeit abgesetzt – und dann kam es zum Überraschungseffekt“, sagt Arne Bublitz, Doktorand in der Abteilung Mikrobielle Immunologie am HZI und Erstautor der Studie. „Die Mehrzahl der Mäuse, die zuvor mit Vancomycin behandelt wurden, erkrankten erneut. Von den Mäusen, die mit ChA behandelt wurden, hatte hingegen keine einzige Maus eine Reinfektion.“ Was genau steckte dahinter? Dieser Frage ging Bublitz in weiterführenden mikrobiologischen Untersuchungen nach. Er behandelte Dauerstadien von C. difficile mit ChA und versuchte diese danach zum Leben zu erwecken, indem er die für das Bakterium idealen Bedingungen herstellte. Doch es funktionierte nicht: Aus den behandelten Sporen entwickelten sich keine lebensfähigen Bakterienzellen. Und auch bei Mäusen, die mit ChA-behandelten Dauerstadien infiziert wurden, war die Krankheit deutlich abgeschwächt. „Wir konnten durch Waschungen mit Lösungsmitteln herausfinden, dass sich der Wirkstoff ChA höchstwahrscheinlich in der wasserabweisenden Hülle der Dauerstadien einlagert und dort eine Art Wirkstoffdepot bildet“, erklärt Bublitz. „Beginnt die Zelle auszukeimen, kommt sie so mit dem eingelagerten ChA in Kontakt und stirbt ab. ChA ist eines der ersten Beispiele für ein Antibiotikum, das in vivo sowohl Bakterienzellen als auch Dauerstadien bei niedrigen Wirkkonzentrationen effektiv bekämpfen kann“. Untersuchungen an Schweinen und Mäusen In einem weiteren Forschungsschwerpunkt der Studie ging es um die Auswirkungen von ChA auf das Mikrobiom. Dazu hat ein Forschungsteam des FLI Untersuchungen an Schweinen – deren Verdauungssystem dem des Menschen sehr ähnlich ist – durchgeführt. „Mithilfe eines breiten Spektrums an Multi-Omics-Methoden konnten wir zeigen, dass ChA das Mikrobiom des Schweins deutlich weniger schädigt als andere Antibiotika“, sagt Fuchs. „Darüber hinaus wirkte sich ChA deutlich negativ auf die Genregulation des Darmerregers aus.“ Strowig ergänzt: „Und auch im Mausmodell kamen wir zu erfreulichen Ergebnissen: Nach ChA-Gabe erholte sich das Mikrobiom des Darms schneller, als dies bei der Gabe anderer Antibiotika der Fall war. ChA scheint also tatsächlich sehr spezifisch zu wirken und das Mikrobiom in Bezug auf seine schützende Funktion nur wenig zu stören.“ Beide Wissenschaftler betonen dabei, dass der Wirkstoff ChA die Konzentration von Darmmetaboliten wie Prolin oder kurzkettige Fettsäuren, die das Wachstum von C. difficile fördern, nicht verändert – anders als dies bei herkömmlichen Antibiotika der Fall ist. Chlorotonilvarianten sind vielversprechende Wirkstoffkandidaten für die Behandlung von C. difficile-Infektionen – das zeigen die Ergebnisse der Studie deutlich. „Insbesondere die Wirkung von ChA auf die Dauerstadien, die zu erneuten Krankheitsausbrüchen führen, könnte ein Meilenstein in der Behandlung von C.-difficile-Infektionen bedeuten“, sagt Strowig. „Wir hoffen, dass wir mit unserer Studie dazu beitragen, dass naturstoffbasierte Wirkstoff-Forschung weiter vorangetrieben wird, um neue effektive Wirkstoffe für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten aufzuspüren. Denn sie können womöglich an Zielstrukturen der Erreger angreifen, die mit den bekannten Mitteln bislang unerreichbar waren.“
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