COVID-19: Darmmikrobiom-Profil steht möglicherweise mit Auftreten von Long-COVID in Zusammenhang28. Januar 2022 Foto: © Jesse/stock.adobe.com Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms steht möglicherweise mit dem Long-COVID-Risiko nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion in Zusammenhang. Das berichten die Autorinnen und Autoren einer aktuellen Publikation in „Gut“. Ein Mikrobiom-Profiling könnte helfen, solche Personen zu identifizieren, die am anfälligsten für die Entwicklung eines Long-COVID-Syndroms sind, schreiben die Forschenden. Das postakute COVID-19-Syndrom oder Long-COVID sei relativ häufig, wobei bis zu drei von vier Personen sechs Monate nach der Genesung von einer COVID-19-Erkrankung angeben, noch mindestens an einem Symptom zu leiden. Müdigkeit, Muskelschwäche und Schlaflosigkeit sind die am häufigsten angegebenen Symptome. Man geht davon aus, dass eine übertriebene Reaktion des Immunsystems, Zellschäden oder die physiologischen Folgen einer schweren Erkrankung zur Entwicklung von Long-COVID beitragen können. Es sei aber nicht klar, was genau es verursacht oder warum manche Menschen anfälliger zu sein scheinen als andere, sagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zunehmend gebe es Evidenz dafür, dass das Darmmikrobiom mit dem Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung in Verbindung gebracht werden könne, erklären die Studienautorinnen und -autoren. Und da der Darm eine wichtige Rolle bei der Immunität spielt, könnte eine gestörte Immunantwort auf eine COVID-19-Infektion, die durch dort lebende Mikroben induziert wird, auch den Genesungsprozess beeinträchtigen. Die Forschenden wollten daher untersuchen, ob die Zusammensetzung des Darmmikrobioms mit Long-COVID in Verbindung gebracht werden könnte, definiert als mindestens ein anhaltendes Symptom auch noch vier Wochen nachdem SARS-CoV-2 im Körper nicht mehr nachweisbar ist. Untersuchung von Stuhlproben zu verschiedenen Zeitpunkten Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachteten die Veränderungen im Darmmikrobiom von 106 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Schweregraden einer COVID-19-Erkrankung, die zwischen Februar und August 2020 in verschiedenen Krankenhäusern behandelt wurden. In die Analyse einbezogen wurde zudem eine Vergleichsgruppe von 68 Personen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren. Bei den 106 an COVID-19 Erkrankten wurden Stuhlproben bei Hospitalisierung (n=68) und erneut nach 1 Monat (n=64) und nach 6 Monaten (n=68) entnommen. Zudem gaben 11 Patientinnen und Patienten auch 9 Monate später noch einmal eine Stuhlprobe ab. Die Arbeitsgruppe ermittelte 3 und 6 Monate nach der akuten SARS-CoV-2-Infektion, inwieweit 30 der am häufigsten angegebenen Symptome von Long-COVID-Symptome vorlagen. Gemessen wurden außerdem in einem 6-Minuten-Gehtest die aerobe Kapazität und die Ausdauer als Indikatoren für Long-COVID. Das Durchschnittsalter der von einer SARS-CoV-2-Infektion Betroffenen betrug 48 Jahre; etwas mehr als die Hälfte waren Frauen. Die meisten (81%) hatten eine leichte bis mittelschwere Infektion erlitten, und 25 wurden mit Antibiotika behandelt. Die Berichte von 86 (81%) dieser Patientinnen und Patienten deuteten nach drei Monaten auf Long-COVID hin sowie bei 81 (76,5%) nach 6 Monaten. Die häufigsten Symptome nach 6 Monaten waren Müdigkeit (31%), Gedächtnisprobleme (28%), Haarausfall (22%), Angstzustände (21%) und Schlafstörungen (21%). Die Forschenden beobachteten sechs Monate nach der akuten Infektion keine signifikanten Unterschiede bei potenziellen Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Prävalenz von Grunderkrankungen, Verwendung von Antibiotika oder antiviralen Medikamenten oder dem Schweregrad der COVID-19-Erkrankung zwischen Personen mit und ohne Long-COVID. Bei 50 der 68 Personen mit COVID-19-Erkrankung, deren Stuhlproben nach 6 Monaten analysiert wurden, wurde Long-COVID festgestellt. Während die anfängliche Viruslast in keinem Zusammenhang mit dem Auftreten von Long-COVID stand, verbunden war, unterschied sich das Darmmikrobiom dieser 50 Personen von dem bei Patientinnen und Patienten ohne Long-COVID sowie dem deren, die keine SARS-CoV-2-Infektion erlitten hatten. Weniger artenreiches Mikrobiom bei Long-COVID Es zeigte sich, dass die Long-COVID-Betroffenen ein weniger vielfältiges und auch mengenmäßig reduziertes Darmmikrobiom hatten. Dahingegen ähnelten das Mikrobiom von Personen ohne Long-COVID dem der Kontrollen ohne COVID-19-Erkrankung. Von den Bakterienarten, die bei Patientinnen und Patienten mit Long-COVID beobachtet wurden, waren 28 sowohl zum Zeitpunkt der Hospitalisierung als auch drei und sechs Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus reduziert und traten 14 vermehrt auf. Nach sechs Monaten beobachteten die Forschenden bei Personen mit Long-COVID signifikant weniger der als günstig beurteilten Faecalibacterium prausnitzii und Blautia obeum, während die eher als nachteilig betrachteten Ruminococcus gnavus und Bacteroides vulgatus häufiger auftraten als bei den Kontrollen, die nicht an COVID-19 erkrankt gewesen waren. Auf der anderen Seite wies das Darmmikrobiom derjenigen, die später keine Anzeichen von Long-COVID zeigten, zum Zeitpunkt der Hospitalisierung nur 25 Veränderungen in Bezug auf Bakterienarten im Darm auf. Diese Veränderungen waren sechs Monate später nicht mehr zu beobachten. Die Forscher untersuchten dann die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, um zu sehen, ob es mit verschiedenen Symptomkategorien bei Long-COVID verbunden ist: Symptome der Atemwege, neuropsychiatrische Symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Geschmacks- und Geruchsverlust, Angst, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Gedächtnisprobleme, verschwommenes Sehen) sowie gastrointestinale und Hautsymptome (Haarausfall) und solche, die den Bewegungsapparat betreffen, und Müdigkeit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden für 81 Bakterienarten einen Zusammenhang mit verschiedenen Kategorien von Long-COVID, wobei viele Arten mit mehr als zwei Kategorien von anhaltenden Symptomen in Verbindung gebracht wurden. Beispielsweise waren auch noch nach sechs Monaten anhaltende respiratorische Symptome stark mit mehreren opportunistischen als ungünstig geltenden Bakterien verbunden, darunter Streptococcus anginosus, Streptococcus vestibularis, Streptococcus gordonii und Clostridium disporicum. Mehrere Arten, von denen bekannt ist, dass sie die Immunität stärken – darunter Bifidobacterium pseudocatenulatum, F. prausnitzii, R. inulinivorans und Roseburia hominis – waren bei Personen mit Long-COVID nach sechs Monaten erschöpft. Als ungünstig betrachtete Bakterienarten waren bei Personen mit Long-COVID mit einer schlechteren Leistung beim Sechs-Minuten-Gehtest assoziiert. Hinweise auf erhöhte Anfälligkeit für Long-COVID bei bestimmten Mikrobiomprofilen Die Studienautorinnen und -autoren berichten auch, dass schon zum Zeitpunkt der Hospitalisierung der Personen, die später Long-COVID entwickelten, die Vielfalt und der Reichtum an Darmbakterien signifikant geringer war als bei solchen, bei denen Long-COVID später nicht auftrat. Dies deute darauf hin, dass bestimmte Darmmikrobiomprofile auf eine erhöhte Anfälligkeit schließen lassen könnten, erklären die Forschenden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass es sich hierbei um eine Beobachtungsstudie handelt, weshalb keine ursächlichen Zusammenhänge festgestellt werden konnten. Zudem sei nur eine kleine Anzahl von Personen in die Studie aufgenommen worden. Die Ergebnisse entsprächen jedoch denen anderer Untersuchungen insoweit, als dass ein gestörtes Darmmikrobiom mit einer Reihe von Langzeiterkrankungen in Verbindung werden könne. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine veränderte Zusammensetzung des Darmmikrobioms bis zu sechs Monate nach der Beseitigung des SARS-CoV-2-Virus stark mit anhaltenden Symptomen bei COVID-19-Patientinnen und -Patienten verbunden ist”, bilanzieren sie. „Angesichts der Millionen von Menschen, die während der noch andauernden Pandemie infiziert wurden, stellen unsere Ergebnisse einen starken Impuls dafür dar, eine Modulation des Mikrobioms zu erwägen, um eine zeitnahe Genesung zu erleichtern und die Belastung durch das postakute COVID-19-Syndrom zu verringern.“
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