Darmbakterien sind entscheidend für Leber-Reparatur3. März 2023 Darmbakterien in einer Petrischale: Das Mikrobiom beeinflusst viele Prozesse im Körper. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die enorme Regenerationsfähigkeit der Leber außer Kraft gesetzt wird, wenn das Mikrobiom gestört ist – etwa durch Antibiotika. (Foto: © Klaus-Peter Janssen) Verwendung frei für die Berichterstattung über die TUM bei Nennung des Copyrights Gut bacteria in a Petri dish: Our microbiome influences a great number of processes in the human body. A recent study shows that the liver’s regenerative capacity is overridden when the microbiome is disturbed – for example, by antibiotics. Image: Klaus-Peter Janssen / TUM Free for use in reporting on TUM, with the copyright noted Werden Teile der Leber entfernt, kann der Körper fehlendes Gewebe ersetzen. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt herausgefunden, dass das Gelingen dieses Prozesses maßgeblich von den Bakterien im Darm abhängt. Anders als etwa das Herz hat die menschliche Leber eine erstaunliche Fähigkeit zur Regeneration. Die biologischen Mechanismen dahinter sind ein Beispiel dafür, welche Rolle die Bakterien in unserem Darm für Vorgänge in anderen Organen spielen. Das zeigen neue Forschungsergebnisse eines interdisziplinären Teams aus dem TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar und der TUM School of Life Sciences.Kurzkettige Fettsäuren spielen wesentliche RolleEinige Bakterientypen, die Bestandteil eines gesunden Darmmikrobioms sind, zerlegen Kohlenhydrate in kurzkettige Fettsäuren. „Die Zellen der Leber benötigen diese Fettsäuren, um wachsen und sich teilen zu können“, sagt Studienleiter Prof. Klaus-Peter Janssen aus der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des Klinikums rechts der Isar. „Wir konnten jetzt erstmals zeigen, dass Darmbakterien den Fettstoffwechsel in Leberzellen und damit deren Fähigkeit zur Regeneration beeinflussen.“Antibiotika stoppen Leber-RegenerationJanssen und sein Team erprobten an Mäusen, wie sich ein gestörtes Mikrobiom auf die Regeneration der Leber auswirkt. Bei Tieren, deren Dammikrobiom durch Antibiotika aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, bildeten sich nahezu keine neuen Leberzellen. Ein Zusammenhang zwischen Antibiotika und gestörter Leber-Regeneration war bereits bekannt. Als Gründe wurden Janssen zufolge aber bislang eher Immunreaktionen des Körpers oder schädliche Nebenwirkungen der Antibiotika auf Leberzellen angenommen. Dass stattdessen ein Zusammenhang mit den Darmbakterien besteht, wurde erst durch die aktuelle Studie deutlich. Genau wie die Mäuse, die mit Antibiotika behandelt wurden, konnten auch Tiere, denen schon bei der Geburt das Mikrobiom fehlte, keine neuen Leberzellen bilden.Wachstum mit „Mikrobiom-Starter-Set“ aktiviert„Antibiotika töten nicht alle Bakterien im Darm“, erläutert Anna Sichler, eine der beiden Erstautor:innen der Studie. „Durch die Medikamente ergibt sich aber eine neue Zusammensetzung des Mikrobioms: Die verbleibenden Bakterienarten produzieren deutlich weniger kurzkettige Fettsäuren.“ Einige Wochen nach einer Antibiotika-Behandlung regeneriert sich das Mikrobiom in der Regel. Die aktuelle Studie ergab, dass sich auch die Leber der mit Antibiotika behandelten Tiere schließlich erneuerte, allerdings mit deutlicher Verzögerung. Bei den Mäusen ohne Darmbakterien gab es gar keine selbständige Regeneration. Allerdings konnten die Forschenden die Leber-Regeneration anregen, indem sie den Tieren ein genau definiertes „Mikrobiom-Starter-Set“ verabreichten.Versuche mit Organoiden und menschlichen ZellenDas Team konnte anhand von Organoiden aus Mäusezellen zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren ein entscheidendes Baumaterial für die Zellmembran der Leberzellen liefern. Waren diese nicht ausreichend vorhanden, weigerten sich die Zellen, zu wachsen und sich zu teilen. Vermehrten sich die Zellen dagegen, weil ausreichend Fettsäuren zur Verfügung standen, stellte das Team fest, dass das Enzym SCD1 besonders aktiv war. „Wir haben die Prozesse danach auch mit menschlichen Leberzellen und an Gewebeproben untersucht“, sagt Yuhan Yin, ebenfalls Erstautor der Studie. „Auch bei Menschen ist SCD1 aktiv, wenn sich die Leber regeneriert.“Mögliche Anwendungen vor und nach Operationen„Es ist wichtig, im Blick zu behalten, dass die Rolle, die unsere Darmbakterien für den Körper spielen, sehr komplex und noch lange nicht vollständig verstanden ist“, unterstreicht Janssen. Dementsprechend könne man aus den Forschungsergebnissen keine direkten Handlungsempfehlungen ableiten oder Medikamente entwickeln. „Allerdings könnte man anhand unserer Ergebnisse erforschen, welche Zusammensetzungen des Mikrobioms gute Voraussetzungen für eine Regeneration von Leberzellen bieten.“ Dann könne man anhand der Darmbakterien von Tumor-Patienten überprüfen, ob der Zeitpunkt für eine Operation geeignet sei, oder ob es besser sein könne, zu warten, bis das Mikrobiom sich erholt habe. Unter Umständen könne man die Erholung auch durch eine bestimmte Ernährung positiv beeinflussen.„Umgekehrt ist es vielleicht auch möglich, nach der Operation anhand des Mikrobioms, also anhand von Stuhlproben, darauf zu schließen, wie gut eine Leber regeneriert“, sagt Janssen. Weitere Studien des Teams werden sich mit dieser Fragestellung beschäftigen.Die Forschungsarbeit entstand in Kooperation mit Prof. Bernhard Holzmann und Prof. Norbert Hüser (Klinik für Chirurgie der TUM) und mit Unterstützung des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereiches „Microbiome Signatures“ (SFB 1371). Erstautorin Sichler wurde beim 21. Internationalen AEK Cancer Congress 2023 für einem Vortrag zum Thema des Artikels mit dem Young Investigators Award ausgezeichnet.
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