Darmkrebs: Neue Erkenntnis könnte helfen zu ermitteln, wer auf eine Immuntherapie anspricht18. November 2025 Abbildung: © Dr_Microbe/stock.adobe.com Wie den astronomischen Urknall gibt es auch beim Kolorektalkarzinom ein Ereignis, das sein Wachstum bestimmt – so beschreibt es eine internationale Forschergruppe in einer aktuellen Publikation in „Nature Genetics“. Laut den Wissenschaftlern vom Institute of Cancer Research in London (Großbritannien), der Fondazione Human Technopole in Mailand (Italien) und der Chalmers University of Technology in Schweden entsteht dieser „Urknall“ bei Darmkrebs durch die Immunflucht von Krebszellen. Nach dieser Immunflucht beobachteten die Studienautoren nur noch sehr geringe Veränderungen in der Art und Weise, wie sich der Krebs dem Immunsystem präsentiert. Nach Auffassung der Autoren bietet diese Studie einen möglichen Ansatz, um solche Patienten mit Darmkrebs zu identifizieren, die mit höherer Wahrscheinlichkeit auf eine Immuntherapie ansprechen. Beziehung von Darmkrebs zum Immunsystem verändert sich im späteren Verlauf kaum Prof. Trevor Graham, Professor für Genomik und Evolution und Direktor des Zentrums für Evolution und Krebs am Institute of Cancer Research in London, erklärt: „Manche Darmkrebsarten sind von Natur aus aggressiv. Ihre Interaktion mit dem Immunsystem wird früh festgelegt. Immuntherapie und Impfstoffe gegen Darmkrebs bergen ein enormes Potenzial für die Behandlung dieser Krankheit.“ Der Wissenschaftler ergänzt: „Unsere Forschung deutet darauf hin, dass sich die Beziehung einer Darmkrebserkrankung zum Immunsystem im Laufe ihres Wachstums kaum verändert. Wenn wir diese Beziehung frühzeitig gezielt beeinflussen können, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs deutlich.“ Neue Erkenntnisse zur Immunflucht von Krebszellen bereiten Weg für wirksamere Therapien Graham betont, wie wichtig das Verständnis der Tumorentwicklung und -veränderung ist – in Zeiten einer immer mehr personalisierten Therapie wichtiger denn je. „Wie die Explosion, die den Lauf des Universums bestimmte, liefert uns der Darmkrebs-Urknall die wichtigsten Hinweise darauf, wie seine Zukunft aussieht und wie wir diese beeinflussen können.“ Studienleiterin Eszter Lakatos, Biomathematikerin an der Technischen Universität Chalmers und der Universität Göteborg (Schweden), fügt hinzu: „Unser Team hat erforscht und Antworten darauf gefunden, wie sich Krebszellen für das Immunsystem unsichtbar machen. Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse neben der Operation letztendlich zu gezielteren, effektiveren und frühzeitigeren Behandlungen führen werden.“ Epigenetische Veränderungen ermöglichen Immunflucht In ihrer Studie analysierten die Wissenschaftler die Organisation von Immun- und Krebszellen in Darmkrebsgewebe von 29 Patienten und fanden heraus, dass Krebszellen dem Immunsystem durch epigenetische Veränderungen entgehen können. Diese Veränderungen beeinflussen, wie die DNA „abgelesen“ wird, um RNA herzustellen. Bei Krebserkrankungen beeinflussen diese Veränderungen die Anzahl der Neoantigene – gewissermaßen Warnsignale, die Immunzellen anlocken – auf der Oberfläche der Krebszellen. Weniger Neoantigene erschweren es dem Immunsystem, den Krebs zu erkennen und zu zerstören. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Kombination von Immuntherapie mit Epigenom-modifizierenden Medikamenten die Wirksamkeit der Immuntherapie bei Darmkrebspatienten verbessern könnte. Dies könnte dadurch geschehen, dass eine solche Kombination die Krebszellen dazu anregt, mehr Neoantigene zu produzieren, die das Immunsystem angreifen kann. Es seien aber mehr Studien nötig, um diese Annahme zu überprüfen, bevor klinische Studien mit Patienten starten können. Früher Moment in der Entwicklung ist entscheidend „Um Darmkrebs bei allen besiegen zu können, müssen wir verstehen, was in den frühesten Stadien der Erkrankung geschieht“, unterstreicht Dr. Catherine Elliott, Forschungsdirektorin bei Cancer Research UK. „Auch wenn Darmkrebstumore unterschiedlich aussehen können, hat ein entscheidender Moment zu Beginn großen Einfluss auf das Krebswachstum.“ Die Forscherin ergänzt: „Darmkrebs besitzt die heimtückische Fähigkeit, Therapien zu widerstehen. Die Immuntherapie zeigt zwar zunehmend gute Ergebnisse bei Patienten, aber sie wirkt nicht bei allen. Diese Studie hilft uns, die Gründe dafür zu verstehen und liefert uns neue Erkenntnisse, um die Immuntherapie bei Darmkrebs zu verbessern.“ Auch Tom Collins, Forschungsleiter für Grundlagenforschung beim Wellcome Trust, betont den Wert der aktuellen Studie: „Durch die Untersuchung der frühesten Stadien von Darmkrebs hat das Forschungsteam wertvolle neue Erkenntnisse über einen Mechanismus gewonnen, der zu gezielteren, effektiveren und früheren Behandlungen führen könnte.“ Collins unterstreicht: „Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel für Grundlagenforschung. Die Forschung auf dieser molekularen Ebene hat zu einem tieferen Verständnis der Darmkrebsentwicklung beigetragen, was langfristig zu besseren Behandlungsergebnissen für Patienten führen könnte.“ (ac)
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