Darmkrebsrisiko: Anstieg mit jedem übergewichtigen Lebensjahr

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Die Anzahl an Lebensjahren, in denen ein Mensch Übergewicht auf die Waage bringt, hat höhere Aussagekraft für das Darmkrebsrisiko als eine einmalige Messung des Körpergewichts. Das berichten Forschende vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Im Vergleich zu Menschen, die ihr Leben lang Normalgewicht gehalten haben, erkranken dauerhaft Übergewichtige sogar bis zu zweieinhalbmal häufiger an Darmkrebs. Damit kommt der Vermeidung des Übergewichts eine noch wichtigere Rolle in der Krebsprävention zu als bislang angenommen.

Zahlreiche Krebsarten treten bei übergewichtigen Menschen häufiger auf als bei Normalgewichtigen, wie zahlreiche Studien belegen. Jedoch wurde bei den meisten dieser Untersuchungen das Körpergewicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lediglich einmal abgefragt oder bestimmt. „Unsere Überlegung war aber, dass es für das Darmkrebsrisiko eine noch größere Rolle spielen müsste, wie lange ein Mensch die überzähligen Kilos mit sich herumträgt“, erklärt Prof. Hermann Brenner, Epidemiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass Übergewicht ein Treiber von Darmkrebs ist, weil das Fettgewebe konstant Wachstumsfaktoren, Hormone oder entzündungsfördernde Substanzen abgibt. Also muss es einen Unterschied machen, ob der Körper diesem Einfluss nur über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum ausgesetzt ist oder ob das Übergewicht über Jahrzehnte hinweg, möglicherweise sogar bereits seit der Jugend besteht.

Um diese Hypothese zu prüfen, nutzten Brenner und Kollegen die Daten der DACHS-Studie (Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening). Seit 2003 begleiteten und befragten die DKFZ-Forscherinnen und -Forscher für diese Fall-Kontroll-Studie im Rhein-Neckar-Raum Darmkrebspatienten sowie nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Kontrollteilnehmer ohne Darmkrebsdiagnose.

Die an der DACHS-Studie Teilnehmenden wurden nach ihrem Gewicht in verschiedenen Lebensaltern seit ihrem 20. Lebensjahr gefragt. Anhand dieser Angaben errechneten die DKFZ-Epidemiologinnen und -Epidemiologen für jede der 5635 Personen und 4515 Kontrollen, die zwischen 2003 und 2017 für die Studie rekrutiert wurden, die Anzahl an Lebensjahren mit Übergewicht (Übergewicht: Body-Mass-Index ≥25, Adipositas ≥30). Zusätzlich berücksichtigten die Forschenden auch das Ausmaß der überzähligen Pfunde.

Das Ergebnis: Verglichen mit dauerhaft normalgewichtigen Teilnehmern haben Übergewichtige ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Und dieses Risiko steigt mit der Anzahl der übergewichtigen Lebensjahre und dem Ausmaß des Übergewichts: Diejenigen Teilnehmer, die langfristig viele Pfunde mit sich herumtrugen, erkrankten zweieinhalbmal so oft an Darmkrebs wie die dauerhaft Normalgewichtigen. Damit hat dieser Wert eine höhere Vorhersagekraft und korreliert weitaus besser mit dem tatsächlichen Darmkrebsrisiko als eine einmalige Bestimmung des Übergewichts.

„Aus unserer Studie wird deutlich, dass das Übergewicht einen noch größeren Einfluss auf das Darmkrebsrisiko hat als bislang angenommen. Es ist zu vermuten, dass das auch für viele andere Erkrankungen gilt, für die das Übergewicht ein bekannter Risikofaktor ist. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, bereits im Kindes- und Jugendalter vorzubeugen, dass Übergewicht entsteht“, betont Brenner. Das Konzept der „kumulierten lebenslänglichen Exposition“ wenden Wissenschaftler auch bei der Einschätzung anderer primärer Krebsrisikofaktoren an. Um etwa den schädlichen Einfluss des Tabaks zu bestimmen, ermitteln sie als Messgröße die lebenslang gerauchten „Packungsjahre“.