Darmkrebsrisiko bei Colitis ulcerosa: Dysfunktionales p53-Gen hält Zellen in proliferativem Zustand

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Aus der Aufklärung der Rolle des Gens p53 bei Colitis ulcerosa an Organoiden aus Mausstammzellen ergibt sich ein potenzieller Angriffspunkt für Wirkstoffe, die eine Progression zu Darmkrebs verhindern sollen.

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Kimberly Hartl, Doktorandin am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center (MDC-BIMSB) und der Charité – Universitätsmedizin, hat neue Erkenntnisse über die Rolle des Tumorsuppressor-Gens p53 bei der Pathogenese der Colitis ulcerosa gewonnen. Die Ergebnisse des Teams weisen auf ein neues Wirkstoffziel hin, um das Voranschreiten der Krankheit zu verhindern.

„Bei Patientinnen und Patienten mit C. ulcerosa, die ein hohes Krebsrisiko haben, könnten wir potenziell die veränderten Zellen gezielt ansprechen und sie frühzeitig beseitigen, bevor ein Krebs entsteht“, sagt Prof. Michael Sigal, Leiter der Arbeitsgruppe „Gastrointestinale Barriere, Regeneration und Karzinogenese“ am MDC-BIMSB, Oberarzt sowie Leiter der Luminalen Gastroenterologie an der Charité und Letztautor der Studie.

Gen p53 spielt eine Schlüsselrolle

Bei Patienten mit C. ulcerosa und damit assoziierten Darmkrebsarten bleiben Endothelzellen der Krypten in dem Reparaturmodus stecken, in den sie bei Schädigungen des Darm eintreten. Das Ergebnis dieses regenerativen Zellzustandes ist ein Mangel an reifen Zellen. Der Dickdarm hat somit Schwierigkeiten, normal zu funktionieren und die Stammzellen vermehren sich noch stärker. Eine toxische Rückkopplungsschleife beginnt. Dieser defekte Reparaturmechanismus hat mit einem nichtfunktionierenden p53-Gen zu tun, fand Hartl in der aktuellen Studie heraus. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des Zellzyklus und der DNA-Reparatur. „Ohne p53 bleiben die Zellen in einem proliferativen Zustand“, sagt Sigal.

In bisherigen Tests wie Koloskopien können sichtbare Läsionen identifiziert werden. Diese Läsionen seien manchmal schwer zu entfernen, erklärt Sigal. Die jetzt vorliegende Studie könnte ein erster Schritt sein, um molekulare Werkzeuge für einen weniger invasiven diagnostischen Test zu entwickeln. Das würde es ermöglichen, die veränderten Zellen deutlich früher zu erkennen – bevor die Veränderungen sichtbar sind, fügt er hinzu.

Wenn Regeneration außer Kontrolle gerät

Um den Reparaturmechanismus zu analysieren, entwickelten die Forschenden aus Mausstammzellen ein Kolon-Organoid. Gemeinsam mit Spezialisten für DNA- und RNA-Sequenzierung sowie der Technologieplattform für Proteomik und Metabolomik am Max Delbrück Center fanden sie heraus, dass Stammzellen, denen p53 fehlte, im regenerativen Zustand bleiben. Daher verstoffwechselten sie Glukose schneller durch den Prozess der Glykolyse. Im Gegensatz dazu verringerte aktives p53 den Glukosestoffwechsel und signalisierte den Zellen, in einen gesunden Zustand zurückzukehren.

Anschließend behandelten die Wissenschaftler die Organoide mit Wirkstoffen, die die Glykolyse stören. So konnten sie testen, ob sie diese sich stark teilenden Zellen gezielt beeinflussen könnten. Zellen, denen das Gen p53 fehlte, sprachen tatsächlich besser auf diese Behandlung an als normale Zellen. „Mithilfe der Organoide können wir sehr spezifische Wirkstoffe identifizieren, die auf Stoffwechselwege abzielen. Das gibt uns Hinweise auf potenzielle neue Therapeutika, die mutierte Zellen selektiv angreifen“, fügt sie hinzu.

Der nächste Schritt ist, diese Erkenntnisse auf den Menschen zu übertragen. Das Team erforscht außerdem nun den Reparaturprozess im Detail. Sie wollen einfachere Methoden entwickeln, um Zellen mit defekten p53-Genen im Kolongewebe zu identifizieren.
„Sobald wir eine einfache Methode haben, um genau diese Zellen im Dickdarmgewebe zu identifizieren, könnten wir mit klinischen Studien beginnen, um sie selektiv zu beseitigen und dann analysieren, ob dies mit einem geringeren Krebsrisiko verbunden ist“, sagt Sigal.