Darmmikrobiom und Autismus: Unterschiede in Bezug auf die Mikrobenvielfalt könnte auf Ernährungspräferenzen zurückzuführen sein

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Diversität des Darmmikrobioms von Kindern mit Autismus wohl mit höherer Wahrscheinlichkeit auf deren eingeschränkte Ernährungspräferenzen zurückzuführen ist und weniger wahrscheinlich die Ursache ihrer Symptome darstellt. (Grafik: © Chloe Yap)

Es gibt Hinweise darauf, dass eine Autismus-Spektrum-Störung zumindest teilweise durch Abweichungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms verursacht werden könnte. 

Grundlage für diese Vermutung ist, dass bestimmte Mikrobenarten bei Menschen mit Autismus häufiger vorkommen. Möglicherweise sei der Zusammenhang aber auch umgekehrt, meinen Forschende aus Australien. Deren kürzlich publizierte Arbeit deutet nämlich darauf hin, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms bei autistischen Kindern mit höherer Wahrscheinlichkeit auf deren eingeschränkte Ernährungspräferenzen zurückzuführen sein könnte, als dass sie die Ursache für die Symptome der Betroffenen ist.

„Es besteht ein großes Interesse daran, welche Rolle das Darmmikrobiom bei Autismus spielt, doch es gibt nicht viel konkrete Evidenz“, erklärt Seniorautor Jacob Gratten von Mater Research in Zusammenarbeit mit der University of Queensland in Brisbane, (beide Australien). „Unsere Studie – die bisher größte zu diesem Thema – wurde so aufgestellt, dass einige der Einschränkungen früherer Arbeiten überwunden werden können.“

In den vergangenen zehn Jahren haben eine Reihe von Studien den Zusammenhang zwischen bestimmten Mikrobenarten im Darm und der psychischen Gesundheit untersucht. Die Darm-Hirn-Achse wurde nicht nur mit Autismus-Spektrum-Störungen in Verbindung gebracht, sondern auch mit Angstzuständen, Depressionen und Schizophrenie.

In der neuen Studie analysierten die Forschenden Stuhlproben von insgesamt 247 Kindern im Alter zwischen zwei und 17 Jahren. Bei 99 Kindern war eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert worden, 51 dazu gehörige Geschwisterkinder hatten keine solche Diagnose, ebenso wie 97 weitere in die Studie eingeschlossene Kinder. Alle in die Analyse einbezogenen Probandinnen und Probanden stammten aus der Australian Autism Biobank und dem Queensland Twin Adolescent Brain Project.

Die Forscher führten an den von den Teilnehmenden gewonnenen Proben eine metagenomische Sequenzierung, bei der das gesamte Genom mikrobieller Spezies anstelle von kurzen genetischen Barcodes (wie bei der 16S-Analyse) betrachtet wird. Das Verfahren liefert auch Informationen auf Genebene und nicht nur Informationen auf Speziesebene, sodass eine genauere Darstellung der Mikrobiomzusammensetzung möglich ist als mit der 16S-Analyse. Die letztgenannte Technik war in vielen der früheren Studien verwendet worden, die das Darmmikrobiom mit Autismus in Verbindung brachten.

„Wir haben in all unseren Analysen auch die Ernährung sowie das Alter und das Geschlecht sorgfältig berücksichtigt“, berichtet Erstautorin Chloe Yap, eine Mitarbeiterin von Gratten. „Das Mikrobiom wird stark von der Umwelt beeinflusst, deshalb haben wir unsere Studie mit zwei Vergleichsgruppen konzipiert.“

Basierend auf ihrer Analyse fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur begrenzte Evidenz für einen direkten Zusammenhang zwischen Autismus und dem Mikrobiom. Allerdings konnten die Forschenden einen hochsignifikanten Zusammenhang von Autismus mit der Ernährung feststellen, und dass eine Autismus-Diagnose mit einer weniger abwechslungsreichen Ernährung und einer schlechteren Ernährungsqualität verbunden war. Darüber hinaus wurden psychometrische Messungen des Grades autistischer Merkmale (einschließlich eingeschränkter Interessen, soziale Kommunikationsschwierigkeiten und sensorische Sensibilität) und polygene Scores für Autismus-Spektrum-Störungen und impulsives/zwanghaftes/repetitives Verhalten ebenfalls mit einer weniger abwechslungsreichen Ernährung in Verbindung gebracht.

„Zusammengenommen stützen die Daten ein auffallend einfaches und intuitives Modell, bei dem autismusbezogene Merkmale eingeschränkte Ernährungspräferenzen fördern“, sagt Yap. „Dies wiederum führt zu einer geringeren Diversität des Mikrobioms und einer größeren Häufigkeit von durchfallähnlichem Stuhl.“

Die Forscher räumen mehrere Einschränkungen der aktuellen Arbeit ein. Eine ist, dass das Design der Studie weder einen Beitrag des Mikrobioms zur Entstehung der Autismus-Spektrum-Störung vor deren Diagnose ausschließen kann, noch, dass ernährungsbedingte Veränderungen im Mikrobiom einen Rückkopplungseffekt auf das Verhalten haben. Eine andere Einschränkung ist, dass die Forschenden die mögliche Wirkung von Antibiotika auf das Mikrobiom nur erklären konnten, indem sie Personen von der Analyse ausschlossen, die zum Zeitpunkt der Sammlung von Stuhlproben eine solche Medikation erhielten. Zudem liegen derzeit keine vergleichbaren Datensätze vor, um die Resultate zu bestätigen.

„Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse andere in der Autismus-Forschungsgemeinschaft ermutigen, routinemäßig Metadaten in ‚Omics‘-Studien zu sammeln, um wichtige (aber oft unterschätzte) potenzielle Störfaktoren wie die Ernährung zu berücksichtigen“, sagt Gratten. „Unsere Ergebnisse rücken auch die Ernährung von Kindern mit Autismus-Diagnose in den Fokus, die einen klinisch wichtigen (aber unterschätzten) Beitrag zur allgemeinen Gesundheit und zum Wohlbefinden leistet.“

Die Forscher planen, neue Daten in einer größeren Stichprobe zu generieren, um ihre Ergebnisse zu replizieren.