Darmmikrobiota: Studie liefert neue Einblicke in den Stoffwechsel

Atomares Modell des RbpB-Proteins von Bacteroides thetaiotaomicron mit einzelnen B.-thetaiotaomicron-Bakterien im Hintergrund. (Abbildung: © Blender / Adobe Stock (Dr_Microbe) / Sandy Westermann)

Forschende haben ein Protein und eine Gruppe kurzer Ribonukleinsäuren (sRNAs) in Bacteroides thetaiotaomicron identifiziert, die dessen Zuckerstoffwechsel steuern. Auf diese Weise gelingt es dieser Darmmikrobe, sich an wechselnde Nahrungsbedingungen anzupassen.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler des Helmholtz-Institutes für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) sowie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg tragen dazu bei, die Rolle dieses Bakteriums im menschlichen Darm besser zu verstehen. Sie könnten den Weg für neue therapeutische Strategien ebnen, die darauf abzielen, die menschliche Gesundheit über die Mikrobiota zu fördern.

Die Frage, wie Darmkommensalen ihren Stoffwechsel auf tägliche Schwankungen des Nährstoffangebotes einstellen, ist zu einem zentralen Thema der Mikrobiota-Forschung geworden. Obwohl sich das mikrobielle Ökosystem des Darms von Mensch zu Mensch unterscheidet, gibt es einige häufige Arten. Dazu zählt B. thetaiotaomicron. Diese Mikroben verfügen über Dutzende verschiedene Multiprotein-Komplexe, die auf spezifischen Stellen im Genom kodiert sind – den PULs (polysaccharide utilization loci). Die Komplexe können spezifische Mehrfachzucker binden, spalten sowie importieren und tragen somit zur erfolgreichen Besiedlung des Darms bei. Die Bildung dieser PUL-Komplexe wird dabei streng auf Ebene der Transkription kontrolliert, wobei die Information der DNA in Boten-RNA (mRNA) umgeschrieben wird. Wie PULs auf posttranskriptioneller Ebene reguliert werden, um auf Umweltveränderungen zu reagieren, ist dagegen bisher weitgehend unerforscht. Hier haben HIRI-Wissenschaftler in Kooperation mit der JMU angesetzt. In Zusammenarbeit mit der Vanderbilt University in Nashville (USA) und der University of Toronto (Kanada) führten sie eine Reihe von In-vitro- und In-vivo-Experimenten durch.

„Unsere Ergebnisse deuten auf ein bemerkenswert komplexes RNA-basiertes Netzwerk hin, das die PUL-Expression in B. thetaiotaomicron steuert“, erläutert der korrespondierende Autor Alexander Westermann die Forschungsergebnisse der Studie, die im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen ist. „Damit ergänzen wir frühere Arbeiten, die sich auf transkriptionelle Kontrollmechanismen konzentrierten“, schließt er an.

Komplexes Netzwerk

Im Zentrum dieses Netzwerkes steht das RNA-Bindeprotein RbpB: „Wir haben herausgefunden, dass das Fehlen von RbpB die Darmbesiedlung deutlich beeinträchtigt“, erklärt Ann-Sophie Rüttiger, Erstautorin der Studie und Doktorandin in Westermanns Labor.

Die funktionelle Analyse zeigte, dass RbpB mit Hunderten von zellulären Transkripten interagiert. Dazu gehört eine Gruppe verwandter nichtkodierender RNA-Moleküle (FopS) mit 14 Mitgliedern. Gemeinsam steuern RbpB und FopS Prozesse zur Energiegewinnung und sorgen so dafür, dass die Mikroben optimal auf wechselnde Bedingungen reagieren können. „Diese Studie erweitert unser Verständnis der RNA-koordinierten Stoffwechselkontrolle, die für die Überlebenschancen dominanter Mikrobiota-Spezies entscheidend ist“, sagt Rüttiger.

In künftigen Studien soll nun die Struktur von RbpB genauer untersucht und die Schlüsselmechanismen der RNA-Bindung identifiziert werden. Das Team plant zudem, die funktionelle Ähnlichkeit von RbpB mit anderen RNA-bindenden Proteinen zu analysieren, um zentrale posttranskriptionelle Steuerungspunkte in der Darmmikrobiota zu entschlüsseln.

Bessere Kenntnisse über die bakteriellen Gen- und Proteinfunktionen könnten maßgeblich dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Infektions- und Darmerkrankungen sowie zur Gesundheitsförderung durch gezielte Beeinflussung der Darmmikrobiota zu entwickeln. „Unsere Ergebnisse bieten einen vielversprechenden Ansatz, dieses mikrobielle Konsortium besser zu verstehen und für neue Behandlungsstrategien nutzbar zu machen“, fasst Westermann zusammen.