Darmmikrobiota und Antibiotika: Fehlendes Puzzlestück entdeckt

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Forschende des Würzburger Helmholtz-Institutes für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) haben gemeinsam mit US-Wissenschaftlern kleine RNA nachgewiesen, die die Empfindlichkeit des Darmkeims Bacteroides thetaiotaomicron gegenüber bestimmten Antibiotika beeinflusst.

Wie sich Darmbakterien an ihre Umwelt anpassen, ist noch nicht vollständig entschlüsselt. Wissenschaftler des HIRI und der University of California, Berkeley (USA) konnten nun eine wichtige Lücke schließen: Sie haben eine kleine Ribonukleinsäure (sRNA) nachgewiesen, die die Anfälligkeit des Darmkeims B. thetaiotaomicron gegenüber bestimmten Antibiotika beeinflusst. Die Forschungsergebnisse könnten die Grundlage für neue Therapien bei Darmerkrankungen und für die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen bilden.

B. thetaiotaomicron gehört zu den dominierenden Bakterienarten im menschlichen Darm. Diese Mikroben spalten Mehrfachzucker bei der Verdauung und sind für die Gesundheit des Menschen nützlich. Gleichzeitig können sie aber auch Infektionen begünstigen, wenn das intestinale Gleichgewicht gestört ist, zum Beispiel nach einer Antibiotikabehandlung. Die molekularen Mechanismen, die es diesen Darmkeimen ermöglichen, sich an ihre Umgebung bestmöglich anzupassen, sind jedoch weitgehend unbekannt.

„Meine Gruppe und ich wollen verstehen, wie sich B. thetaiotaomicron an veränderte Bedingungen im Darm anpassen“, fasst Alexander Westermann das Ziel der Studie zusammen. Der Initiator der wissenschaftlichen Arbeit ist Forschungsgruppenleiter am Würzburger HIRI, einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Um die Netzwerke der Transkription in B. thetaiotaomicron zu beleuchten, haben die HIRI-Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Forschenden der University of California Transkriptionseinheiten kartiert und Profile ihrer Expressionsniveaus unter verschiedenen experimentellen Bedingungen erstellt. Der Vergleich dieser Expressionswerte mit Literaturdaten zur Fitness von genetisch veränderten Bakterienvarianten ermöglichte dem Forschungsteam einen ganzheitlichen Blick auf die regulatorischen Netzwerke und die funktionelle Rolle von sRNAs bei der bakteriellen Anpassung. „Unsere Erkenntnisse bieten neue Einblicke in das komplexe Zusammenspiel zwischen Umweltfaktoren, Genexpression und bakterieller Fitness“, sagt Westermann, der zudem eine Professur an der JMU innehat.

Kleine RNA steuert Antibiotikaempfindlichkeit

Bei der Untersuchung des Nukleinsäuregehalts von B. thetaiotaomicron konnte das Team eine sRNA nachweisen, die die Empfindlichkeit des Bakteriums gegenüber Tetracyclin-Antibiotika beeinflusst. „Mit der Entdeckung der sRNA MasB und ihrer Rolle bei der Steuerung der Antibiotikaempfindlichkeit haben wir Licht auf einen bisher nicht charakterisierten Regulationsmechanismus geworfen“, ordnet Erstautor und Postdoktorand Daniel Ryan das Ergebnis ein. Die Befunde geben Aufschluss über den Einfluss von Antibiotikabehandlungen auf die Mitglieder der Mikrobiota. Auf dieser Grundlage könnten neue Strategien zur Vermeidung von antibiotikabedingten Kollateralschäden an nützlichen Bakterien entwickelt und Therapeutika verbessert werden.

Die Forschung stellt eine wertvolle Informationsquelle für die Mikrobiom-Gemeinschaft dar: Der umfassende Transkriptom-Atlas, der über den Webbrowser „Theta-Base“ öffentlich zugänglich ist, bietet die Möglichkeit, weitere sRNAs zu untersuchen und ihre Funktionen in diesem Zusammenhang zu erforschen. „Die RNA-Biologie von Bacteroides und anderen Mitgliedern der Darmmikrobiota ist vergleichsweise wenig erforscht. Projekte wie dieses legen den Grundstein für zukünftige Studien und stellen eine wichtige Ressource für weitere Forschungsarbeiten dar“, sagt Westermann.

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den Europäischen Forschungsrat (ERC Starting Grant) und die US National Institutes of Health gefördert.