Das alternde Gehirn entschlüsseln

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Während des Alterns verändert sich die Genaktivität in verschiedenen Zelltypen des Gehirns. Ein bestimmter Typ von Neuronen ist davon besonders betroffen, wie Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie herausgefunden haben.

Unser Gehirn besteht aus verschiedenen Zelltypen mit jeweils spezifischen Eigenschaften, Funktionen und Verknüpfungen, die zusammen die komplexen Berechnungen des Gehirns durchführen. Forschende vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie wollten wissen, wie sich die Genaktivität in den verschiedenen Zelltypen des Gehirns im Laufe des Alterns verändert. Hierfür untersuchten sie Gewebeproben aus 90 Gehirnen von Menschen im Alter zwischen 25 und 85 Jahren, die diese nach ihrem Tod der Wissenschaft zur Verfügung gestellt hatten. Sie konzentrierten sich dabei auf Zellen aus dem präfrontalen Kortex, der für kognitive Prozesse maßgeblich ist.

Das Single-Nucleus-RNA-Sequencing ermöglichte es den Wissenschaftlern, erstmals die Veränderung der Genaktivität einzelner Zelltypen im Laufe des Alterns zu untersuchen. „Wir konnten nachweisen, dass sich die Genexpression in allen Zelltypen im Laufe des Alterns verändert, aber nicht unbedingt in den gleichen Genen“, fasst Studienleiterin Anna Fröhlich das Ergebnis zusammen. Sie fand, dass sich in allen Zelltypen die Aktivität von Genen, die für die synaptische Übertragung wichtig sind, mit dem Altern verändert. Genauso wandelt sich die Aktivität in Genen, die an der mRNA-Prozessierung beteiligt sind, im Laufe des Alterungsprozesses.

Vergleich mit Alzheimer-Erkrankung

Da das Alter der größte Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen wie eine Alzheimer-Demenz ist, verglichen die Forscher auch die altersbedingten Veränderungen in der Genexpression mit Veränderungen bei der Alzheimer-Erkrankung. Sie fanden weitreichende Überlappungen in bestimmten Zelltypen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass kontinuierliche, nichtkrankhafte Veränderungen ab einem gewissen Zeitpunkt eine Schwelle überschreiten und sozusagen ins Pathologische umschlagen. Besonders interessant ist den Forschenden zufolge, dass ein bestimmter Zelltyp von hemmenden Neuronen, die sogenannten LAMP5+LHX6+-Interneurone, sowohl durch Altern also auch bei der Alzheimer-Demenz besonders stark betroffen zu sein scheint.

Die untersuchten Gewebeproben stammten von Menschen mit und ohne psychiatrische Erkrankung. Ein Vergleich dieser zwei Gruppen zeigte Unterschiede in der biologischen Alterung: Das Genexpressions-Alter von Menschen mit psychiatrischer Erkrankung war beschleunigt, das heißt, dass sie „biologisch gesehen“ älter waren. Dies könnte daran liegen, dass sich die Aktivität mancher Gene nicht nur im Alter verändert, sondern auch durch psychiatrische Erkrankungen beeinflusst wird, wie die Wissenschaftler zeigen konnten. Dies ist eine mögliche Erklärung dafür, warum Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen wie zum Beispiel der Schizophrenie besonders anfällig für pathologische Gehirnalterungsprozesse sein könnten.

Die jüngst in „Nature Neuroscience“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten den Forschenden zufolge dazu beitragen, auf molekularer Ebene neue therapeutische Ansatzpunkte zu finden, die den Alterungsprozess beeinflussen könnten und damit eventuell auch Demenz-Erkrankungen hinauszuzögern. Dafür bedarf es jedoch umfangreicher weiterer Forschung.