Das Hirnblutungsrisiko von Frühchen abschätzen und Skoliose ohne Röntgen erkennen4. Mai 2023 Renée Lampe, Professorin für Orthopädie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM), und ihr Team haben eine Software entwickelt, die helfen wird, die Gefahr von Gehirnblutungen bei Frühgeborenen vorherzusagen. Darüber hinaus hat sie ein Verfahren entwickelt, das mithilfe eines 3D-Körperscanners und entsprechender Analyse-Software Kindern und Jugendlichen, die an Skoliose leiden, Röntgenaufnahmen ersparen soll. Das Risiko für Frühchen, eine Hirnblutung zu erleiden, ist hoch: Je nach Geburtsgewicht und Schwangerschaftsdauer der vor der 37. Schwangerschaftswoche geborenen Babys, liegt es zwischen 15 und 45 Prozent. Der Schaden kann immens sein und führt in vielen Fällen zu einer lebenslangen Körper- und Mehrfachbehinderung. Oft liegt die Ursache für frühkindliche Hirnblutung in der germinalen Matrix, einer kleinen Zellschicht im Gehirn, die unter anderem für die Bildung von Neuronen wichtig ist. Diese ist von vielen kleinen und sehr fragilen Blutgefäßen durchzogen. Bei einem normalen Verlauf der Schwangerschaft bildet sich die germinale Matrix ungefähr bis zur 34. Schwangerschaftswoche wieder zurück. „Wir haben ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem der zerebrale Blutfluss im Gehirn im Allgemeinen und in der germinalen Matrix im Besonderen berechnet werden kann“, erklärt Lampe. Mithilfe dieses Modells können darüber hinaus Risikokonstellationen identifiziert werden, zu denen neben Schwankungen des Blutdrucks auch (Vor-)Erkrankungen der Mutter sowie das Körpergewicht und der Entwicklungsstand des Kindes gehören. Besonders Schwankungen des Blutdrucks und der Konzentrationen verschiedener Blutgase können einen erheblichen Einfluss auf die kleinen Blutgefäße haben und im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie reißen. Um zu überprüfen, wie realistisch die Berechnungen des Blutflusses sind, hat das interdisziplinäre Team aus Mathematik, Physik und Medizin mehr als 6000 Messungen von 265 Frühgeborenen mit und ohne Hirnblutung zusammengetragen und analysiert. Als nächsten Schritt strebt das Team um Lampe den Einsatz des Modells in der klinischen Anwendung an. In einer Blindstudie, die in Form einer Doktorarbeit bereits angelaufen ist, wird die Risikobewertung der Software mit der klinischen Einschätzung durch Fachärzte verglichen. „Wir haben unser komplexes mathematische Modell in eine benutzerfreundliche Software überführt und durch Maschinelles Lernen ergänzt“, freut sich die Mathematikerin Irina Sidorenko, die zum Team gehört: „Es ist zauberhaft, an so einer Sache mitzuwirken.“ Skoliose: 3D-Körperscanner als Alternative für Röntgenverlaufskontrollen Der Goldstandard zur Diagnose einer Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) ist – neben der klinischen Untersuchung – das Röntgenbild. Bei einer Skoliose sind der Verlauf der Wirbelsäule zur Seite verkrümmt und einzelne Wirbelkörper verdreht. Besonders im Falle von neuroorthopädischen Erkrankungen, wie der infantilen Zerebralparese, kann es bereits im Kindesalter zu Wirbelsäulenverkrümmungen kommen. Schwere Formen einer neurogenen Skoliose können so zu Schwierigkeiten beim Sitzen und eingeschränkter Kopfkontrolle bis hin zu Atemschwierigkeiten führen. Die Wahl der Therapien, beispielsweise Physiotherapie, Korsett oder auch chirurgischer Eingriff, richtet sich nach dem Schweregrad der Skoliose. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum kann die Krankheit schnell fortschreiten. Deshalb sind oft über mehrere Jahre innerhalb kurzer Zeit viele Röntgenaufnahmen erforderlich: „Das ist eine nicht unerhebliche Strahlenbelastung für den sich entwickelnden Körper, insbesondere während des Wachstums“, sagt Kinderorthopädin Lampe. Mithilfe eines 3D-Körperscanners und komplexer Software kann dies reduziert werden. Dabei wird die durch die Wirbelsäulenverkrümmung verformte Kontur des Oberkörpers analysiert. Der Körperscanner, der an die Sicherheitskontrolle an Flughäfen erinnert, umfährt dazu in etwa 15 Sekunden die zu untersuchende Person und erzeugt ein 3D-Abbild des Oberkörpers, das anschließend analysiert wird. „Dieses Verfahren ist frei von ionisierenden Strahlen, einfach anzuwenden und mobil einsetzbar“, sagt Lampe. Für die Analyse sind anspruchsvolle Algorithmen notwendig. Dabei werden unter anderem mithilfe eines biomechanischen Modells des Brustkorbes und der Wirbelsäule die individuelle Verkrümmung der Wirbelsäule simuliert und in das Abbild des Oberkörpers des Patienten eingepasst. Lampe und ihr Team sind sich sicher, dass beide Forschungsprojekte realistische Perspektiven für klinische Anwendungen haben. „Das sind zwei großartige Projekte, die fast exemplarisch verkörpern, wofür die Klaus Tschira Stiftung steht“, freut sich KTS-Geschäftsführerin Lilian Knobel. Vor allem die Zusammenarbeit der verschiedenen Forschungsfelder und der Brückenschlag von der Wissenschaft in die Praxis lassen ihrer Ansicht nach hoffen, dass diese Förderung das Leben von Menschen in Zukunft ein Stückchen besser machen wird.
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