Dem Geheimnis der Gallensteine auf der Spur: Mechanismen der Entstehung entdeckt

Menschliche Galleinsteine sind teilweise verkalkt und zeigen einen schalenförmigen Aufbau. (Bild: © Daniela Weidner/Martin Herrmann)

Gallensteine gehören zu den zehn häufigsten Gründen für einen Krankenhausaufenthalt, trotzdem waren die Mechanismen, die ihrer Bildung zugrunde liegen, bisher unbekannt. Das Geheimnis der Gallensteine wurde nun von einem Forschungsteam der Medizinischen Kliniken 1 und 3 am Universitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gelüftet. 


Steinleiden sind sehr häufig. Etwa sechs Millionen Deutsche leiden unter Gallensteinen, die nicht nur zu äußerst schmerzhaften Koliken, sondern auch zu lebensbedrohlichen Entzündungen im Bauchraum führen können. Sehr oft benötigen Steinleiden ein chirurgisches Vorgehen, um diese Fremdkörper zu entfernen. Erstaunlicherweise war bisher nur sehr wenig darüber bekannt, wie Steine entstehen und wie diese zusammengesetzt sind. Bekannt war zwar, dass Kristalle an der Bildung von Steinen beteiligt sind, im Falle von Gallensteinen sind es meist Cholesterinkristalle. Wie aber aus einem mikroskopisch kleinen Kristall ein Stein wird, war bisher nicht erforscht und konnte nun aufgeklärt werden.

Dabei ging das Team um Dr. Luis Munoz, Sebastian Böltz und Prof. Martin Herrmann von der Medizinischen Klinik 3, die im Sonderforschungsbereich 1181 sowie im Deutschen Zentrum für Immuntherapie (DZI) zusammenarbeiten und dabei von einem Team um Dr. Moritz Leppkes und Prof. Markus F. Neurath, Medizinische Klinik 1 der FAU, unterstützt wurden, einen unkonventionellen Weg. Dieser führte sie in Museen, Schlachthöfe und Operationssäle. Die Mediziner untersuchten menschliche Steine aus der Museumssammlung der Charité in Berlin, Gallenflüssigkeit von Schweinen vom Schlachthof sowie Steine und Gallenflüssigkeit von Patienten, die sich operativen Eingriffen des Bauchraumes unterzogen hatten.

In der eingehenden Untersuchung dieses Materials mit modernsten Methoden konnte das Team eine sehr überraschende Entdeckung machen: Alle Gallensteine sind übersät mit Spuren von neutrophilen Granulozyten. Diese Zellen gelten als erste Abwehrfront des Körpers und schlagen nicht nur auf Bakterien und anderen Keime an, sondern erkennen auch Kristalle als Gefahr. Beim Versuch diese aufzunehmen, sterben sie und stülpen ihre Erbsubstanz wie ein Netz über die Kristalle. Diese Netze – englisch NET für Neutrophil Extracellular Traps – winden sich um die Kristalle, verklumpen diese und lassen so Steine entstehen, die manchmal erstaunliche Ausmaße annehmen können.

„Wir beobachteten, dass die freigesetzten Netze in der bereits klebrigen Gallenflüssigkeit, Kalzium- und Cholesterinkristalle verklumpen und so Gallensteine geformt werden. Wird die Bildung von Netzen pharmakologisch gehemmt, kann die Gallensteinbildung stark verringert oder sogar aufgehoben werden“ sagt Munoz.

Durch diese Entdeckung ergeben sich neue bisher ungeahnte Möglichkeiten der Behandlung von Gallensteinen. Interessant könnte ein einfacher pharmakologischer Ansatzpunkt sein: die Verwendung von Metoprolol, eines Beta-Blockers, der bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt wird. Metoprolol hindert neutrophile Granulozyten daran, aus der Blutbahn in das Gewebe zu gelangen und reduziert damit die Kapazität, Netze und damit Gallensteine zu bilden.

Des Weiteren sind bereits spezifische Hemmer der Netzbildung von neutrophilen Granulozyten bekannt: PAD-Hemmer, die sehr effizient die Bildung von experimentell-induzierten Gallensteinen hemmen und damit die Bedeutung des Immunsystems bei der Bildung dieser Strukturen beweisen konnten. Das FAU-Forschungsteam weist zudem darauf hin, dass dieser Prozess nicht nur bei Gallensteinen von zentraler Bedeutung ist, sondern auch bei anderen Steinleiden, wie Nieren- oder Speicheldrüsensteinen entscheidend sein dürfte.