Den Rüssel stets im Blick behalten31. Januar 2024 Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) bei der Nahrungsaufnahme. Foto: © Anna Stöckl Ganz ähnlich wie wir Menschen beim Greifen nach Gegenständen nutzt das Taubenschwänzchen den Sehsinn, um seinen langen Rüssel auf der Suche nach Nektar zielgenau in der Blüte zu platzieren – so das Ergebnis einer Studie Konstanzer BiologInnen. Haben Sie schon einmal ein Taubenschwänzchen gesehen? Bei der ersten Begegnung sorgt dieser Falter oft für Verwunderung: Von seinem Aussehen her irgendwo zwischen Schmetterling und Vogel erstaunt das Tier außerdem durch seine Fähigkeit, wie ein Helikopter längere Zeit an ein und derselben Stelle zu schweben. Bei genauer Betrachtung fällt schnell ein weiteres Merkmal des Taubenschwänzchens ins Auge: der spiralförmig eingerollte Rüssel, der genauso lang ist wie das Tier selbst. Mit ihm saugt der Falter Nektar aus Pflanzenblüten, indem er den Rüssel im Flug durch winzige Öffnungen in die Nektarien der Blüten führt. Dass ihm dies scheinbar mühelos und in Sekundenschnelle gelingt, ist bewundernswert. „Das ist, als würden Sie versuchen, im Stehen mit einem langen Strohhalm die Öffnung einer Getränkedose am Boden zu treffen“, vergleicht Anna Stöckl, Biologin an der Universität Konstanz. In einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift PNAS untersuchten sie und ihre KollegInnen, welche Sinnesinformationen die Schmetterlinge für diese zielgenaue Steuerung des Rüssels verwenden. Sie fanden heraus, dass die Tiere – ganz ähnlich wie wir Menschen beim Greifen mit der Hand – durchgängig ihren Sehsinn (visuelles Feedback) nutzen, um die Bewegung des Rüssels auf dem Weg zum Nektar zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Diese aufwändige Form der Gliedmaßensteuerung war bisher vor allem von Tieren mit vergleichsweise großem Gehirn – wie Affen oder Vögeln – bekannt. In „Zeitlupe“ auf den Rüssel geschaut Den Nachweis, dass sie auch bei Insekten vorkommt, erbrachten die Forschenden durch ausgefeilte Verhaltensexperimente, in denen Taubenschwänzchen beim Anflug auf künstliche Blüten mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgezeichnet wurden. So konnten die genauen Positionen von Körper, Kopf und Rüssel der Falter mit hoher zeitlicher Auflösung ermittelt werden, während die Tiere auf der Suche nach Nektar waren. Dabei ist bekannt, dass Taubenschwänzchen sichtbare Muster in den Blüten nutzen, die sie mit ihrem Rüssel gezielt abtasten, um schneller an den Zuckersaft zu gelangen. Einzelbild eines Hochgeschwindigkeitsvideos der Experimente. Die Rüsselpositionen des Tieres auf der Blüte sind über eine Gesamtdauer von 30 Sekunden farbig markiert. Nicht zu sehen durch die Schwarzweißaufnahmen der Kamera: es handelte sich um ein gelbes Kreuzmuster auf blauem Grund. Foto: © AG Stöckl Die Bewegungsanalysen ergaben zunächst, dass Taubenschwänzchen ihren Rüssel nur etwa eineinhalb Zentimeter vor- und zurück- und so gut wie gar nicht seitwärts bewegen können. Die grobe Positionierung des Rüssels in der Blüte wird deshalb durch Bewegung des gesamten Körpers im Flug reguliert. Die kleineren Bewegungen des Rüssels selbst dienen dagegen der Feinsteuerung zum gezielten Abtasten des Blütenmusters. „Das ist ganz ähnlich wie bei unseren Fingern, die wir, abgesehen vom Daumen, ebenfalls vor allem vor- und zurückbewegen können. Trotzdem können wir mit ihnen sehr komplexe Bewegungsmuster im Raum durchführen, indem wir die Hand für die grobe Richtungsgebung mitbewegen – beispielsweise beim Klavierspielen“, so Stöckl. Insektengehirne sind Meister in Sachen Effizienz Doch es bestand noch eine weitere Ähnlichkeit zum Menschen: Genau wie wir, die wir bei ungeübten Handbewegungen genau hinschauen müssen, während sich unsere Finger zum Ziel bewegen, benötigten die Taubenschwänzchen durchgängig visuelle Information, um ihren Rüssel zielgenau zum Nektar zu manövrieren. Wurden ihre Augen in Richtung Rüssel verdeckt, fanden die Falter zwar noch mit dem Rüssel ins Blüteninnere, sie tasteten dieses aber nicht mehr entlang des Blütenmusters ab, sondern wahllos. Die Suche nach dem Zuckersaft dauert so im Zweifelsfall länger. Dass die Falter visuelles Feedback für die Feinsteuerung ihres Rüssels verwenden, war ein Stück weit überraschend, denn solch ein Echtzeitabgleich zwischen dem Gesehenen und der Rüsselbewegung im Raum ist rechnerisch aufwändig. Insekten besitzen jedoch mit weniger als einer Million Nervenzellen ein vergleichsweise einfaches Nervensystem. „Die Insekten müssen für diese Aufgabe mit einem winzigen Bruchteil der Verarbeitungskapazität auskommen, die zum Beispiel unserem Nervensystem zur Verfügung steht“, so Stöckl. Gerade das macht sie jedoch als Modellorganismus für die Erforschung der visuellen Steuerung von Gliedmaßen hochinteressant. „Und nicht nur das! Auch für Anwendungen, beispielsweise in der Robotik, sind diese kleinen Gehirne und ihre effiziente Arbeitsweise spannende Vorbilder. Wir können viel vom Taubenschwänzchen lernen“, ergänzt Stöckl.
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