DGN: Zu wenig wissenschaftliche Daten zum Havanna-Syndrom11. April 2024 Foto: © Debalina – stock.adobe.com Zwei Studien in „JAMA“ fanden jüngst keine signifikanten Hinweise auf physiologische Anomalien bei Betroffenen des rätselhaften Havanna-Syndroms. In einem Editorial werden methodische Mängel als möglicher Grund für die negativen Studienergebnisse diskutiert. Nach Ansicht der DGN ist die Datenlage jedoch zu dünn, um zuverlässige Aussagen über Erkrankungsbild und Ätiologie treffen zu können. Zwei aktuelle Studien im Fachjournal JAMA1,2 stellen die Ergebnisse von Untersuchungen bei Betroffenen mit dem rätselhaften Havanna-Syndrom vor. Die Betroffenen berichteten über neurologische Beschwerden wie Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Übelkeit, verschwommenes Sehen, Tinnitus und kognitive Dysfunktionen, die nach einem plötzlich auftretenden schneidend-hohen Geräusch, oft begleitet von dem Gefühl eines erhöhten Drucks auf den Ohren, auftraten. Erstmals berichteten Mitarbeiter der US-Botschaft in Havanna im Jahr 2016 von diesem Phänomen, weshalb es auch „Havanna-Syndrom“ genannt wird. Wissenschaftler sprechen von „anomalous health incidents“ (AHIs). Immer wieder traten neue AHI-Fälle auf, oft begleitet von Spekulationen über eine rätselhafte „Neuro-Waffe“. Was tatsächlich dahinter steckt, lässt sich der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zufolge im Moment wissenschaftlich nicht sicher sagen. Entsprechende kämen die beiden Studien zu „eher ernüchternden Ergebnissen“: Weder bei klinischen noch bei Laboruntersuchungen wurden signifikante Auffälligkeiten beobachtet1, die Befunde der zerebralen Bildgebung waren ebenfalls regelrecht2. Im begleitenden Editorial3 diskutiert David A. Relmann die Ergebnisse kritisch. Wegen der klinischen Heterogenität der Fälle seien klare Aussagen nur schwer möglich. Die untersuchten Neurodestruktionsmarker Gliafaserprotein (GFAP) und Neurofilament-Leichtketten (NFL) würden unmittelbar nach einem Hirntrauma ansteigen, nach 24 Stunden ihren Peak erreichen, dann wieder abfallen und seien oft nach drei Tagen unauffällig.4 Aber nur 16 der 86 Proben wurden binnen drei Tagen nach dem Ereignis entnommen – allein das könne erklären, warum in der Studie keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe festgestellt werden konnten. Wie er weiter ausführte, lagen von zwei der betroffenen Personen Vergleichswerte von vor dem Ereignis vor; bei einem der beiden wurde ein signifikanter Anstieg in den Stunden nach dem Ereignis beobachtet, der dann in den nächsten Tagen wieder zurückging. Relmann führt darüber hinaus ältere Studien an5,6, die einen möglichen Zusammenhang zu hochfrequenter elektromagnetischer Energie (z. B. Mikrowellenstrahlung) nahelegen. Auch Ultraschall wird als Ursache diskutiert. Eine 2020 in Lancet publizierte Arbeit7 kam zu dem Ergebnis „Havana syndrome might be the result of energy pulses“. Grundsätzlich gebe es insgesamt wenig Forschungsarbeiten dazu, welche neurologischen Symptome elektromagnetische Strahlung und Ultraschall auslösen, erklärte die DGN. Generell könne aber festgehalten werden, dass sie Effekte auf das Gehirn haben, letztlich werden sie bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen auch therapeutisch eingesetzt, wenn auch noch experimentell, ergänzte die Fachgesellschaft. Ein Beispiel sei der Magnetresonanz(MR)-gesteuerte hoch fokussierte Ultraschall (MRgFUS) zur Parkinson-Therapie. Dieser aktiviere die Ionenkanäle und könne zur kurzzeitigen Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führen. „Die derzeitige Datenlage ist zu dünn, um sagen zu können, womit wir es beim Havanna-Syndrom wirklich zu tun haben“, erklärte Prof. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Die klinischen Symptome ähneln denen einer Vestibularisneuropathie oder Vestibularismigräne. Allerdings fehlen aussagekräftige Untersuchungsergebnisse, um hier wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen zu können. Und ob die Symptome durch Mikrowellenstrahlung induziert sein könnten, ist völlig offen.“ Grundsätzlich wird dies für möglich gehalten („in principle, high peak power IR lasers can induce auditory/vestibular responses in humans via thermoelastic sound generation when directed against the head“8). Nach Ansicht der DGN müssten neu auftretende Fälle innerhalb der ersten 24 Stunden nach Symptombeginn neurologisch untersucht und mögliche Biomarker umfassend und standardisiert erfasst werden, bevor valide Aussagen getroffen werden können. Die Befunde der aktuellen Studien zeigten jedenfalls keine bleibenden Folgen bei den „anomalous health incidents“ des sogenannten Havanna-Syndroms.
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