DGSM erarbeitet Leitlinie zum Einsatz von Melatonin bei Kindern und Jugendlichen

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Die Frage, ob Melatonin-Gummibärchen für Kinder zum Einschlafen geeignet sind, wurde im vergangenen Jahr medial und fachlich kontrovers diskutiert. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) fasst nun den aktuellen Forschungsstand zur Gabe von Melatonin bei Kindern und Jugendlichen in einer interdisziplinären medizinischen Leitlinie zusammen. Dies wird auf dem DGSM-Jahreskongress erstmals vorgestellt.

„Bisher liegen weltweit 33 randomisierte placebokontrollierte Studien bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem zweiten und 18. Lebensjahr vor, die sich auf zwölf klar definierte Diagnosen beziehen“, erläutert Prof. Ekkehart Paditz aus Dresden, der die Entwicklung der Leitlinie federführend koordiniert. Dazu gehören Einschlafstörungen, die allein oder in Verbindung mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom), nach Gehirnerschütterungen, bei Autismus-Spektrum-Störungen oder bei krankhafter Verschiebung der Schlafphasen vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen mit Dravet-Syndrom war Melatonin nicht wirksam. Melodien von Mozart verbesserten dagegen das Verhalten und die Schlafqualität.

Bei Säuglingen wurde nachgewiesen, dass Babyschlaflieder günstige Effekte auf die Sauerstoffsättigung, die Herzfrequenz, den Blutdruck und das Gedeihen hatten. „Mozartmelodien waren fast genauso gut wie mütterliche Lieder, im Vergleich zu den Babys, denen keine Lieder angeboten wurden. Schon in Keilschrifttexten aus Mesopotamien sind bereits Babyschlaflieder zu finden, die zur Beruhigung beitragen sollten. Vielleicht ein Hinweis, dass man nicht immer zu Medikamenten greifen muss“, gibt Paditz zu bedenken.

Er berichtet, dass Melatonin nur nach ärztlicher Verordnung in möglichst geringer Dosis <1mg (je nach Alter des Kindes 0,25-0,5 mg) abends vor dem Schlafengehen eingenommen werden sollte, falls Hinweise zur Schlafhygiene und eine Verhaltenstherapie keinen Effekt hatten. Von einer Einschlafstörung wird gesprochen, wenn das Einschlafen mehrfach in der Woche länger als 30 Minuten dauert. Vor dem Griff zum Rezeptblock sind eine ausführliche ärztliche Anamnese und eine neurologische Untersuchung erforderlich, damit entschieden werden kann, ob eventuell eine Untersuchung in einem Kinderschlaflabor erforderlich sein könnte und ob eine MRT-Untersuchung des Gehirns in Betracht gezogen werden sollte. „Das sind im Interesse der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen keine übertriebenen Empfehlungen, damit Hinweise für Tumore der Zirbeldrüse nicht übersehen werden.“

Oft sind es auch „nur“ Sorgen oder Stress in der Schule oder im Kindergarten, die mit fraglichen Schlafstörungen verbunden sind. In dieser Situation helfen ärztliche Hinweise zur Schlafhygiene, die von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden. „Medikamentöse oder psychologische Behandlungen sind oft nicht erforderlich“, meint Paditz. Der Experte weist darauf hin, dass aus den USA jüngst über mehrere Todesfälle im ersten bis zweiten Lebensjahr im zeitlichen Zusammenhang mit Melatonin-Überdosierungen berichtet wurde, sowie dass bei Jugendlichen der Pubertätseintritt durch längerfristige Melatoningaben beeinflusst werden könnte.

„Kinder gehören zum Kinderarzt, wenn sich die Eltern Sorgen in Bezug auf Schlafstörungen machen. Da Melatonin ein Hormon ist, sollten vor dessen Gabe immer erst ärztliche Abklärungen stehen“, empfiehlt Paditz. Melatonin ist in Deutschland nur für Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 18 Jahren mit Schlafstörungen bei Autismus-Spektrum-Störung oder Smith-Magenis-Syndrom zugelassen.