DGVS: “Kein evidenter Zusammenhang zwischen Magensäureblockern und Allergien”

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Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sieht keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Magensäureblockern und der Entwicklung von Allergien, wie er in einer aktuellen Studie hergestellt wird. Die in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Arbeit basiere allein auf Daten österreichischer Krankenversicherungen und beziehe fast keine Diagnosedaten mit ein. Nach Ansicht der Experten ist das Studiendesign nicht dafür geeignet, die Frage zu beantworten, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstigt. Die DGVS kritisiert, dass Patienten mit gesicherter Indikation für eine säurehemmende Therapie dadurch unnötig verunsichert würden.

Zugleich betont die Fachgesellschaft, dass Patienten bei freiverkäuflichen Magensäureblockern darauf achten sollten, diese über längere Zeiträume nicht ohne Absprache mit dem Hausarzt einzunehmen. 

Eine übermäßige Magensäureproduktion kann Symptome wie Sodbrennen, saures Aufstoßen, Schmerzen im Oberbauch oder Schluckbeschwerden auslösen. Auch Husten, Heiserkeit und asthmaartige Beschwerden können Ursache einer Magensäureüberlastung sein. „Schätzungen gehen davon aus, dass ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland davon betroffen ist. Alle therapeutischen Vorgehensweisen und Medikamente sind daher besonders in den Blick zu nehmen“, sagt Prof. Herbert Koop, Arzt für Innere Medizin und Gastroenterologie und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie am HELIOS-Klinikum Berlin-Buch.

Im Falle von Säureblockern geschieht das seit vielen Jahren und sehr systematisch über wissenschaftliche Studien, die dann auch in Leitlinien einfließen und damit einen Behandlungsstandard definieren. „Einzelne Untersuchungen mit einem sehr eingegrenzten wissenschaftlichen Fokus sollten die aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien abgeleitete Evidenz, die heute Grundlage für medizinisches Handeln ist, nicht automatisch in Frage stellen. Sonst gelangt man schnell in eine Grauzone, in der eine verlässliche Patientenversorgung schwierig werden kann“, sagt Prof. Christian Trautwein, Direktor der Medizinischen Klinik III der RWTH Aachen und Mediensprecher.

Anlass der Kritik ist eine österreichische Studie, die Ende Juli in “Nature Communications” veröffentlicht wurde und zu der Aussage kommt, die Einnahme von Säureblockern steigere das Risiko, eine Allergie zu entwickeln. Koop kritisiert im Wesentlichen vier Aspekte der Studie: Zum einen seien darin unterschiedliche Pharmaka untersucht worden – Sucralfate, die praktisch ohne Einfluss auf den pH-Wert im Magen sind, H2-Blocker, die als mäßig aktive Säurehemmer einzustufen sind und starke Säurehemmer – die Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Laut der Studie erhöhen alle Substanzen das Risiko, eine Allergie zu entwickeln.

„Somit ergibt sich keine Korrelation zum Grad der Säurehemmung. Daher ist fragwürdig, ob die Säurehemmung überhaupt im Zusammenhang mit der Allergieentstehung zu sehen ist“, so Koop. Zum anderen stütze sich die Analyse mit Blick auf die Allergieentstehung nur auf die Verschreibung von Medikamenten, die mutmaßlich das Vorhandensein einer Allergie anzeigen sollen. Daten zu Allergie-Diagnosen selbst lagen nicht vor. Auch das ist nach Ansicht des Experten ein Schwachpunkt. Denn beispielsweise waren Medikamente wie Phenothiazine in die Studie einbezogen, die in erster Linie als Neuroleptika bei neurologisch-psychiatrischen Krankheiten eingesetzt, nur noch im Einzelfall bei Allergien verschrieben werden. Grundsätzlich sei die Tatsache, dass ein Medikament verschrieben worden sei, nicht geeignet, um daraus die Ursache für weitere, neu aufgetretene Krankheiten wie hier Allergien abzuleiten.

Auch sei in der Studie nicht hinreichend unterschieden worden, um welche Allergien es überhaupt ging. Außerdem fehlte ein weiterer für Datenbank-Analysen unverzichtbarer Aspekt: Zusätzliche Informationen über die Patienten („confounding factors“) wurden in der Studie nicht berücksichtigt. „Es ist wissenschaftlich gesichert, dass sich Patienten, die beispielsweise einen PPI einnehmen, deutlich von anderen Patienten unterscheiden: Sie sind in aller Regel älter, haben mehr Begleiterkrankungen, nehmen mehr Medikamente. Dieser Einfluss konnte in der aktuell veröffentlichten Studie nicht evaluiert werden, weil die Untersucher offensichtlich keinen Zugang zu solch wichtigen Daten bezüglich der Medikation – oder besser noch zu Diagnosedaten – hatten“, erklärt Koop.

Das Fazit des DGVS-Experten ist eindeutig: Die Studie könne aufgrund ihres Designs und der Datenlage keine Aussage treffen, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstigt. Die Wirksamkeit von PPI sei durch Studien nachgewiesen. Diese hätten zu klaren Indikationen und Handlungsempfehlungen in deutschen und internationalen Leitlinien geführt. Wie bei jedem anderen Medikament sollte bei Verordnung eines PPI eine vom Arzt sorgfältig erhobene Diagnose und bestätigte Indikation vorliegen. Daher empfiehlt die DGVS dringlich, freiverkäufliche Magensäureblocker ohne Absprache mit dem Hausarzt nicht länger als 14 Tage einzunehmen.