DGVS zum „Glutenfrei“-Trend: Erst testen, dann verzichten12. Mai 2023 Foto: © Johanna Mühlbauer/stock.adobe.com Die Inzidenz der Zöliakie steigt weltweit an: In verschiedenen Weltregionen sind bis zu 2,5 Prozent der Menschen davon betroffen. Eine glutenfreie Ernährung steht allerdings auch bei vielen Menschen hoch im Kurs, bei denen eine Zöliakie gar nicht nachgewiesen ist. Oft sind verschiedene Darmbeschwerden oder auch chronische Erkrankungen der Grund, warum Menschen auf glutenfreie Lebensmittel zurückgreifen. Vor Beginn einer Gluten-Karenz sollten jedoch die genauen Ursachen dieser Beschwerden und der Verdacht auf eine Zöliakie, eine Weizenallergie oder eine andere Weizenunverträglichkeit ärztlich abgeklärt werden, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zum Welt-Zöliakie-Tag am 16. Mai. Die Ernährung vollständig auf glutenfreie Nahrungsmittel umzustellen ist nicht selten teuer, die strenge Diät schränkt auch die Lebensqualität ein und kann unter Umständen sogar der Gesundheit schaden. „Glutenfreie Ersatzprodukte enthalten oft mehr Zucker, Salz und ungesättigte Fettsäuren als die entsprechenden glutenhaltigen Varianten“, sagt Prof. Detlef Schuppan, Leiter des Institutes für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie, Darmerkrankungen und Autoimmunität der Universitätsmedizin Mainz. Dagegen mangele es ihnen häufig an Ballaststoffen und Vitaminen. Dabei gibt es vielerlei gesunde, natürlich glutenfreie Alternativen. Ein Zuviel der Ersatzprodukte hingegen kann dazu führen, dass Menschen tendenziell an Gewicht zunehmen. Langfristig könne so auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes steigen, erklärt der Experte. Nicht vorschnell zu gluten- oder weizenfreien Produkten greifen Auch aus diagnostischen Gründen sollte nicht vorschnell mit einer gluten- oder weizenfreien Diät begonnen werden. „Vor der Ernährungsumstellung sollte man in jedem Fall einen Blut-Test auf Zöliakie-spezifische Antikörper vornehmen lassen“, rät Schuppan. Daneben hat seine Arbeitsgruppe noch weitere entzündliche Erkrankungen aufgedeckt, die durch Weizenprotein hervorgerufen werden. Dies sind klassische (Soforttyp-)Allergien und noch wesentlich häufiger verzögerte (Typ- 2-)Allergien, die oft erst Stunden nach Weizenverzehr auftreten. Darüber hinaus kann Weizenkonsum Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Lebererkrankungen, Rheuma oder multiple Sklerose verstärken – hier sind Nicht-Glutenproteine (ATI) die Auslöser. Geschätzt leiden damit bis zu zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung an entzündlichen, weizenbedingten Erkrankungen. Glutenfreie Ernährung beeinflusst auch andere Erkrankungen Die Zöliakie ist somit nicht die einzige Erkrankung, die sich unter Weizenkarenz bessert. „Auch Patienten mit einer Weizenallergie oder mit einer sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität können vom Glutenverzicht profitieren“, erklärt PD Dr. Michael Schumann von der Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Berliner Charité. Gerade bei der Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS) ist Gluten jedoch vermutlich gar nicht Hauptverursacher der Beschwerden, sondern vor allem andere Weizenbestandteile. „Zudem handelt es sich bei der NCWS um eine Ausschlussdiagnose“, betont Schumann. Ohne dass eine Zöliakie und eine klassische Weizenallergie ausgeschlossen seien, könne eine NCWS demnach nicht sicher festgestellt werden. Antikörper zeigen die Art der Erkrankung Zöliakie-Betroffene bilden ganz krankheitsspezifisch Antikörper gegen das körpereigene Enzym Transglutaminase 2 (TG2), die im Blut der Patienten nachgewiesen werden können. Dieses Enzym führt auch zu einer verstärkten Immunreaktion des Darmes gegen aufgenommenes Gluten. Die Aufforderung, sich vor der Entscheidung für eine glutenfreie Ernährung zunächst auf Zöliakie und klassische Weizenallergie testen zu lassen, richtet sich aber nicht nur an die Patienten. „Mit unserem Aufruf wollen wir auch die Ärzteschaft für das Thema sensibilisieren“, unterstreicht PD Dr. Birgit Terjung, Mediensprecherin der DGVS. Den Betroffenen selbst sei es häufig nicht bewusst, dass die voreilige Ernährungsumstellung auch negative Konsequenzen haben könne. Hier sei es Aufgabe der betreuenden Ärzte, zu einer frühzeitigen diagnostischen Abklärung zu raten.
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