DOG 2023: Glaukomtherapie: Operieren – wann und wie?

Verena Prokosch auf der DOG-Pressekonferenz. Foto.©Biermann Verlag/Schulz

In Deutschland sind über 900.000 Menschen vom Glaukom betroffen. Anlässlich des Jahreskongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) berichtet deshalb eine Expertin, welcher Eingriff für welchen Patienten geeignet ist und warum dieser auch mit einer Operation des Grauen Stars kombiniert werden kann.

Mit rund 15 Prozent der Erblindungsfälle ist das Glaukom in Deutschland die zweithäufigste Ursache für den Verlust der Sehfähigkeit. Im Verlauf der Erkrankung gehen die Fasern des Sehnervs zugrunde, die das Sehsignal von der Netzhaut des Auges zum Gehirn leiten. „Der einzig momentan behandelbare Risikofaktor hierfür ist ein erhöhter Augeninnendruck“, sagte Prof. Verena Prokosch vom Zentrum für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Köln. Ist der individuelle Augeninnendruck zu hoch, werden die empfindlichen Sehnervenfasern geschädigt. Wie empfindlich der Sehnerv ist, ist dabei individuell verschieden. „Dieser Prozess bleibt oft lange unbemerkt“, wie die Glaukom-Spezialistin Prokosch erörterte.

Ist das Glaukom diagnostiziert, kann der schleichende Sehverlust gut aufgehalten werden. In der Regel kommen zunächst Augentropfen zum Einsatz, die den Augeninnendruck regulieren. „Im Praxisalltag und in Studien zeigt sich jedoch, dass mindestens die Hälfte der Patientinnen und Patienten die Tropfen nicht konsequent täglich anwendet“, betonte Prokosch. Sollte die medikamentöse Drucksenkung aus diesem oder anderen Gründen nicht gelingen, müsse der Augeninnendruck per Laser oder durch eine Operation in Schach gehalten werden.

Die Kölner Augenärztin beobachtet jedoch, dass diese Eingriffe, bei denen der Abfluss des Kammerwassers verbessert oder das produzierende Gewebe verödet wird, noch immer erst sehr spät im Verlauf der Erkrankung vorgenommen werden. „Hierzu tragen zum einen Vorbehalte der Patienten und Patientinnen bei, die zunächst ja keine Beschwerden haben und den invasiven Eingriff scheuen“, so Prokosch. Zudem sei durch die Operation keine Verbesserung des Sehvermögens zu erwarten. Denn einmal eingetretene Schäden könnten nicht rückgängig gemacht werden. Vorübergehend könne sich der Visus durch den Eingriff sogar verschlechtern.

Auch die Praktizierenden müssen sich erst einmal einen Überblick verschaffen, zu welchem Zeitpunkt operiert werden sollte und welche Technik im konkreten Fall geeignet ist. „Denn mittlerweile stehen mehr als ein Dutzend verschiedene Operationsmethoden zur Senkung des Augeninnendrucks zur Verfügung – darunter etliche minimal invasive Verfahren, die den Abfluss des Kammerwassers durch die Implantation winziger Stents erleichtern“, berichtete Prokosch. Um den Überblick zu erleichtern, hat die Europäische Glaukomgesellschaft EGS nun ein Weißbuch zur operativen Glaukomtherapie erstellt. Dieses gibt Empfehlungen für die Wahl des individuell geeigneten Operationsverfahrens.

„Fest steht jedoch, dass für Patientinnen und Patienten, die unter einem Grünen Star in mildem Stadium leiden, die Operation des Grauen Stars ein guter Zeitpunkt ist, um gleichzeitig einen minimal invasiven Glaukom-Eingriff vorzunehmen“, wie Prokosch unterstrich. „Von einem solchen Kombinationseingriff, bei dem nicht nur die trübe Linse ausgetauscht, sondern auch der Kammerwasserabfluss durch einen Mikro-Stent verbessert wird, profitieren die Betroffenen deutlich.“

Im Ergebnis könne der Augeninnendruck zusätzlich um einige Einheiten reduziert werden, merkt die DOG-Expertin an. Andererseits sei es wichtig, bei fortgeschrittenen Fällen Operationsverfahren zu wählen, die den Druck noch stärker senken können.

Über diese Möglichkeiten sollten Betroffene ärztlicherseits informiert werden – oder selbst aktiv danach fragen. Denn: „Hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf“, resümierte Prokosch. Mit der Wahl des richtigen Operationsverfahrens zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Krankheitsstadium könne es der modernen Medizin gelingen, den Betroffenen deutlich mehr sehende Jahre zu schenken.