Dysfunktion der Ribosomen als Treiber der Alterung

Ribosomen spielen bei der Proteinbiosynthese eine Schlüsselrolle. (Foto: © Dee-sign – stock.adobe.com)

Gehirnzellen sind anfällig für Störungen der Proteostase, die mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. In einer aktuellen Studie haben Forschende der Stanford University die Kaskade aufgeklärt, die zu einer Abnahme der Proteostase in alternden Gehirnen führt.

In Zellen gleicht die Proteostase die Proteinsynthese und den Proteinabbau aus und verhindert außerdem die Proteinaggregation – schädliche Proteinverklumpungen, die durch Fehler bei der Proteinfaltung entstehen können. Eine gestörte Proteostase und Aggregation sind Teil einer Reihe von molekularen und zellulären Veränderungen, die als Zeichen des Alterns klassifiziert werden. Die Proteostase ist als möglicher Zusammenhang zwischen der Alterung des Gehirns und neurodegenerativen Erkrankungen, die mit Proteinaggregation in Verbindung stehen in den Fokus der Forschung gerückt.

„Wir wissen, dass viele Prozesse mit zunehmendem Alter dysfunktionaler werden, aber wir verstehen die grundlegenden molekularen Prinzipien, warum wir altern, noch nicht wirklich“, erklärte die Autorin der Studie, Judith Frydman, Donald Kennedy Chair an der School of Humanities and Sciences in Stanford, USA. „Unsere neue Studie liefert erste mechanistische Erklärungen für ein Phänomen, das im Alter häufig auftritt, nämlich eine erhöhte Aggregation und Dysfunktion in den Prozessen, die Proteine bilden.“

Qualitätsprobleme in der Proteinproduktion

Als Untersuchungsobjekt diente den Forschenden der türkisfarbene Killifisch, Nothobranchius furzeri, der zu den kurzlebigsten in Gefangenschaft gezüchteten Wirbeltieren zählt. Bei diesen Tieren verglichen die Wissenschaftler verschiedene Faktoren der Proteinproduktion wie Aminosäurekonzentrationen, Transfer-RNA-Spiegel, Boten-RNA (mRNA) und Proteine in jungen, erwachsenen und alten Killifischen. 

Frydmans Labor hatte bereits in einfachen Alterungsmodellen wie Hefe und Fadenwürmern untersucht, wie Zellen Proteostase erreichen und wie das Altern die Proteostase beeinflusst. Die neue Studie bestätigt, dass die in diesen einfachen Organismen beobachteten Alterungsprozesse denen in komplexeren Wirbeltieren wie Killifischen – und Menschen – entsprechen.

„Mit dem Altern treten auf vielen Ebenen – auf mechanistischer, zellulärer und organischer Ebene – auf mysteriöse Weise Probleme auf, aber eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass all diese Prozesse durch Proteine vermittelt werden“, erklärte Frydman. „Diese Studie bestätigt, dass während des Alterungsprozesses die zentrale Maschinerie, die Proteine herstellt, Qualitätsprobleme zu entwickeln beginnt.“

Translationselongation als kritischer Schritt

Letztendlich lokalisierte das Team die Störung in einer bestimmten Phase der Proteinsynthese, der Translationselongation. In diesem Schritt übernimmt das Ribosom seine Rolle als zelluläre Maschinerie, die für die Umwandlung von mRNA in Proteine verantwortlich ist, indem es sich entlang der mRNA bewegt und nacheinander Aminosäuren hinzufügt. In den alternden Fischgehirnen dokumentierten die Forscher Kollisionen und Stillstände der Ribosomen, was sowohl zu einem verringerten Proteingehalt als auch zu Proteinaggregation führte.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen in der Geschwindigkeit der Ribosomenbewegung entlang der mRNA einen tiefgreifenden Einfluss auf die Proteinhomöostase haben können – und unterstreichen die wesentliche Bedeutung einer ‚regulierten‘ Translationsverlängerungsgeschwindigkeit verschiedener mRNAs im Zusammenhang mit dem Altern“, erklärte Jae Ho Lee, Co-Autor der Studie, der als Postdoktorand im Frydman-Labor an dieser Arbeit mitgearbeitet hat.

Prozess der Proteinproduktion verliert an Genauigkeit

Diese Entdeckung trug dazu bei, ein weiteres Rätsel des Alterns zu lösen. Eines der Kennzeichen des Alterns in allen Organismen, einschließlich des Menschen, ist die Protein-Transkript-Entkopplung. Bei diesem Phänomen korrelieren Veränderungen der Konzentrationen einiger mRNA nicht mehr mit Veränderungen der Proteinkonzentrationen in gealterten Individuen. Die neue Studie zeigt, dass Veränderungen in der Proteinsynthese während des Alterns, einschließlich der Ribosomen, die „Protein-Transkript-Entkopplung“ erklären können.

Da viele der betroffenen Proteine an der Aufrechterhaltung und Integrität des Genoms beteiligt sind, erklären diese neuen Beobachtungen, warum diese Prozesse im Alter nachlassen. „Der Nachweis, dass der Prozess der Proteinproduktion mit zunehmendem Alter an Genauigkeit verliert, liefert eine Art grundlegende Erklärung dafür, warum all diese anderen Prozesse mit zunehmendem Alter zu Fehlfunktionen neigen“, erklärte Frydman. „Und natürlich liegt der Schlüssel zur Lösung eines Problems darin, zu verstehen, warum es zu Fehlfunktionen kommt. Sonst tappt man nur im Dunkeln.“

Zukünftige Alterungsforschung

Als nächsten Schritt werden die Forscher direkt untersuchen, wie die Ribosomen-Dysfunktion – die sie als einen der Hauptverursacher der abnehmenden Proteostase identifiziert haben – zu altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen beim Menschen beitragen kann. Sie wollen auch herausfinden, ob eine gezielte Behandlung der Translationseffizienz oder der Ribosomen-Qualitätskontrolle die Proteostase in Gehirnzellen wiederherstellen und sogar den altersbedingten kognitiven Verfall verzögern kann.

„Diese Arbeit liefert neue Erkenntnisse über die Proteinbiogenese, -funktion und -homöostase im Allgemeinen sowie ein neues potenzielles Ziel für die Intervention bei altersbedingten Krankheiten“, betonte Lee.

Darüber hinaus untersucht das Forschungsteam, was zu kognitivem Verfall im Alter führt und wie die Modulation solcher Prozesse die Langlebigkeit bei einer Reihe verschiedener Spezies beeinflussen kann.