Ein Drittel aller Notfallpatienten profitiert von neurologischer Expertise29. Januar 2020 Foto: ©romaset – stock.adobe.com Eigenständige Neurointensivstationen werden in Deutschland immer seltener, weshalb Neurointensivpatienten in der Regel auf interdisziplinären Intensiveinheiten behandelt werden. Dies bereitet der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) Sorge. Neben der anästhesiologischen, der internistischen und pädiatrischen Intensivmedizin ist die Neurointensivmedizin einer der vier wichtigen Eckpfeiler in der Behandlung Schwersterkrankter. Wie eine jüngere Auswertung an deutschen Krankenhäusern jedoch zeigte, kann nur jedes fünfte Krankenhaus mit einer Abteilung für Neurologie oder Neurochirurgie auch eine eigenständige Neurointensivstation anbieten. Die Anforderungen für das Betreiben und die wirtschaftliche Abrechnung der Intensivkomplexpauschalen sind hoch. Deutschlandweit besteht ein dringender Bedarf an Neurointensivmedizinern. Die DGNI fordert, dass diese hochspezialisierten Mediziner genauso präsent sein sollten wie Spezialisten in anderen intensivmedizinischen Bereichen. Nach Expertenmeinung könnte rund ein Drittel aller Patienten, die als Notfälle in eine zentrale Notaufnahme kommen (und hiervon die Hälfte auf eine Intensivstation), von dieser Expertise profitieren. Neurointensivmedizin als „ökonomischer Kernfaktor“ Das Vorhandensein einer Neurointensivstation ist ein wichtiger Auswahlfaktor für ein Krankenhaus, also ein relevanter Faktor für die initiale Zuweisung beziehungsweise sekundäre Verlegung von Patienten. Andererseits bindet diese Versorgung auch spezialisierte Ärzte und Pflegekräfte. Ist die Neurointensivmedizin damit ein „ökonomischer Kernfaktor“ im modernen Krankenhausbetrieb? „Sie ist zumindest ein abrechnungsrelevant günstiger Kostenfaktor für ein Krankenhaus“, sagt Neurochirurg Prof. Oliver Sakowitz. Die Versorgung von Hirnblutungen etwa oder Schlaganfällen könne mitunter besser abgerechnet werden als die von Unfallverletzungen. „Durch das Angebot einer neurointensivmedizinischen Versorgung wird ein Krankenhaus nicht reich. Neurointensivmedizin ist teuer und braucht Ressourcen – dessen sollte man sich bewusst sein. In meinem Vortrag auf der ANIM stelle ich die Rechnung auf ´was wie viel kostet` und ´was wie viel bringt`“, erklärt der amtierende DGNI-Präsident. Neurointensivmedizin muss interdisziplinär aufgestellt sein Im Großen und Ganzen sind sich die Spezialisten jedoch einig: Intensivmedizin entsteht aus dem Dialog der Fachdisziplinen und lebt von der Bereitschaft der Beteiligten, sich auf das Fachgebiet der jeweiligen Partner einzulassen. Eine zu eingeschränkte Sichtweise sei hierbei nicht zielführend. Zusätzlich bedarf es einer Unterscheidung zwischen der organisatorischen und der fachlichen Einordnung: Sobald eine Disziplin allein sowohl die organisatorische als auch die fachliche Leitung hat, besteht die Gefahr einer etwas eingeschränkten Sichtweise auf die Behandlung. „Hieraus ergeben sich gegebenenfalls erhebliche therapeutische Konsequenzen für den Patienten. Eine monodisziplinäre Intensivmedizin mag weniger fachliche Diskussionen hervorrufen, stellt jedoch nur auf den ersten Blick die einfachere, aber für den Patienten sicherlich eine schlechtere Variante dar. Bei den sehr aufwendigen strukturellen Herausforderungen für die Intensivmedizin bedarf es einer hauptamtlichen intensivmedizinischen Leitung, die ausschließlich intensivmedizinisch arbeitet. Diese Leitung sollte im fachlich interdisziplinären Kontext arbeiten, unabhängig von welcher Fachdisziplin sie oder er ursprünglich stammt“, betont Dr. Rainer Kram, Leiter der interdisziplinären Operativen Intensivstation am Universitätsklinikum Düsseldorf. Hier ginge es auch darum, dem Vorurteil entgegenzutreten, dass sich die Fachdisziplinen zunächst hauptsächlich auf ihr scheinbar ureigenes Fachgebiet beschränken, also der Chirurg sich nur um die operativen Belange und der Anästhesist sich nur um die scheinbar ureigenen intensivmedizinischen Belange kümmert.
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