Eine neue Sprache für angeborene Immunstörungen21. Juli 2021 v.l.: (von links) Julia Pazmandi, Matthias Haimel, Kaan Boztug (Foto: © St. Anna Kinderkrebsforschung) Gemeinsam mit Kollegen des University Medical Center Groningen haben Forschende des Ludwig Boltzmann Institutes for Rare and Undiagnosed Diseases in Wien die sogenannte Human Phenotype Ontology (HPO) weiterentwickelt. Erkrankt ein Kind an einer angeborenen Immunstörung, dann beginnt für seine Ärztin oder seinen Arzt eine aufwendige Recherche nach ähnlichen Fällen auf der ganzen Welt. Gab es einen solchen oder einen ähnlichen Fall schon einmal? Wie wurde behandelt? Was hat geholfen? Aber selbst wenn irgendwo auf der Welt ein Kind an genau derselben Krankheit leidet, erfahren die Behandelnden wahrscheinlich nie voneinander. Das wollen Forschende des Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD) ändern. „Damit wir Kindern mit seltenen Krankheiten helfen können, braucht es den weltweiten Austausch zwischen Forscherinnen und Forschern. Dieser Austausch gelingt nur dann, wenn alle dieselbe Sprache sprechen, Krankheiten einheitlich beschrieben werden und lokale Register international vernetzt sind“, erklärt Prof. Kaan Boztug, Direktor am LBI-RUD sowie Wissenschaftlicher Direktor der St. Anna Kinderkrebsforschung. Nur was man benennen kann, findet man auch Boztugs Forschungsgruppe am LBI-RUD hat daher gemeinsam mit Dr. Marielle van Gijns Gruppe vom University Medical Center Groningen international wichtige Partner und weltweit führende Fachgesellschaften im Feld der Immunkrankheiten an einen Tisch geholt und die sogenannte Human Phenotype Ontology (HPO) weiterentwickelt. HPO ist eine eigene Sprache, um klinische Veränderungen im menschlichen Körper zu benennen, die mit einzelnen Krankheiten einhergehen. „Wir haben uns mit Dr. Peter Robinson, dem Entwickler der HPO vernetzt und erstmals das Vokabular systematisch für immunologische Erkrankungen erweitert. Symptome für seltene, angeborene Immunstörungen haben wir genauer und detaillierter beschrieben, um weltweit eine einheitliche Diagnose zu ermöglichen“, sagt Dr. Matthias Haimel, Bioinformatiker in der Forschungsgruppe von CeMM Principal Investigator Prof. Christoph Bock am LBI-RUD. „Denn bisher wurden in verschiedenen Ländern oft unterschiedliche Begriffe für die gleiche Krankheit und deren Symptome verwendet“, erklärt Julia Pazmandi, MSc, PhD-Studentin in Boztugs Forschungsgruppe. Boztug fügt hinzu: „Nur was man benennen kann, das findet man auch. Gleichzeitig können wir durch die genaue Beschreibung auch neue Krankheiten und genetische Varianten entdecken.“ Die HPO beinhaltet 2120 seltene Erkrankungen, von denen angeborene Immunstörungen eine Untergruppe bilden. Für letztere war die HPO bisher nicht spezifisch genug und wurde daher kaum verwendet. Um dies zu ändern, haben die Forschenden vier von zehn der für angeborene Immunstörungen relevanten Krankheitsgruppen in der HPO weiterentwickelt. Neue Begriffe wie „wiederkehrendes Fieber“ oder „ungewöhnliche Infektionen“ wurden hinzugefügt. Um das zu bewerkstelligen, wurden ausgewählte Fachartikel mithilfe maschinellen Lernens auf Fachbegriffe analysiert, die dann in einem Review-Verfahren als korrekt oder nicht korrekt zugeordnet wurden. Top-10-Ranking grenzt die Diagnose ein In einem weiteren Schritt analysierten die Forscherinnen und Forscher 30 Patienten aus einer Datenbank. HPO-Begriffe wurden Krankheitsbildern zugeordnet und basierend darauf die Ähnlichkeit zu allen zuvor überarbeiteten HPO-Erkrankungen berechnet. In der Mehrzahl der Fälle fand sich die korrekte Diagnose in den Top-10-Erkrankungen, die für die jeweilige Symptomatik berechnet wurden. „Durch künstliche Intelligenz lassen sich bestimmte Symptome nun besser einer seltenen Krankheit zuordnen. Für Ärztinnen und Ärzte ist es heutzutage unmöglich, jede seltene Erkrankung zu kennen und manche Immunstörungen ähneln einander sehr stark. Patientinnen und Patienten soll damit eine jahrelange Suche nach der richtigen Diagnose erspart werden. So ist oft früher eine Behandlung möglich und die Überlebenschancen steigen“, sagt Boztug. Über die Human Phenotype Ontology Die Human Phenotype Oncology (HPO) umfasst ein breites Vokabular um Krankheiten zu beschreiben und dient im Bereich der seltenen Erkrankungen als Werkzeug um sich zu verständigen. Die HPO enthält aktuell ca. 200.000 Anmerkungen zur Beschreibung vererbbarer Krankheiten, von denen 2.120 zu den seltenen Erkrankungen gezählt werden. Im Bereich der angeborenen Immunstörungen fehlten bisher entsprechende eindeutige und verständliche Beschreibungen. Trotz der laufenden Bemühungen gibt es immer noch entscheidende Lücken in der HPO-Krankheitsontologie um das gesamte Krankheitsbild seltener, immunologischer Krankheiten zu beschreiben. Originalpublikation: Haimel M et al. Curation and Expansion of Human Phenotype Ontology for Defined Groups of Inborn Errors of Immunity. J Allergy Clin Immunol 2021 May 12;S0091-6749(21)00732-6.
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