Entzündliche Darmerkrankungen: Seltene Erbkrankheit offenbart neue Zusammenhänge18. Dezember 2018 Menschliche Zellkulturen helfen dabei, entzündliche Darmerkrankungen besser zu verstehen. (Bildquelle: Universität Hohenheim / Thomas Kufer) Ausschlag, Fieber, Gelenkschmerzen, Entzündungen im Darm – das familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom (FCAS) ist zwar äußerst selten, doch für die Betroffenen sehr belastend. Die Patienten weisen eine Genmutation auf, wodurch die Funktion eines Proteins namens NLRP12 gestört ist, das normalerweise Entzündungsprozessen entgegenwirkt. Soviel war bereits bekannt. Doch nun haben Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Kooperation mit französischen Kollegen der Universität Sorbonne in Paris, der Universität Orleans, dem Institut Pasteur in Lille sowie der Universität Tübingen nachgewiesen, dass an dem Vorgang ein weiteres Protein, das NOD2, beteiligt ist – eine Erkenntnis, welche die Forschung zu entzündlichen Darmerkrankungen ein wesentliches Stück vorantreibt. NOD2 spielt im Immunsystem eine wichtige Rolle: Das Protein erkennt einerseits Fremdstoffe wie eingedrungene Bakterien oder Viren und reguliert andererseits die Darmbakterien. „In unserer Arbeit konnten wir feststellen, dass NOD2 durch das Protein NLRP12 beeinflusst wird“, erklärt Prof. Thomas Kufer, Immunologe an der Universität Hohenheim. Diese Erkenntnis sei neu: „Im gesunden Organismus wird NOD2 von NLRP12 abgebaut. Das fördert die Toleranz gegenüber Mikroorganismen, so dass die nützlichen Darmbakterien nicht angegriffen werden. Dies können bestimmte Krankheitserreger jedoch auch ausnutzen – die Gefahr einer Infektion mit pathogenen Darmbakterien steigt.“ Wenn bei einer Mutation, wie im Falle der seltenen Erbkrankheit FCAS, NLRP12 seine Funktion verliert, dann spricht der Organismus stärker auf NOD2-Antworten an. Die Folge: Der Toleranzmechanismus funktioniert schlechter. „Es entstehen Immunzellen, die verstärkt Entzündungen hervorrufen können.“ Ein Effekt, der bei entzündlichen Darmerkrankungen eine große Rolle spielt. Baustein zum Verständnis entzündlicher Darmerkrankungen Um diesen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, hat das Team um Kufer an der Universität Hohenheim in vitro gearbeitet. Das heißt, die Forscher setzten menschliche Zellkulturen aus der HEK-293T-Zelllinie ein, in denen sie die Funktion der untersuchten Proteine analysierten. Haupt-Koordinator der Studie war Dr. Mathias Chamaillard vom INSERM (Institut national de la santé et de la recherche médicale) und dem Institut Pasteur in Lille. In seiner Arbeitsgruppe wurden Versuche mit gentechnisch veränderten Mäusen durchführt. Die Partner an der Sorbonne und in Orleans haben Patientenkohorten zur Verfügung gestellt und die Wissenschaftler der Universität Tübingen ihre Expertise in bakteriellen Infektionen. „Die Erkenntnisse, die wir aus unserer Studie gewonnen haben, sind von medizinischer Relevanz. Auch zum Beispiel bei der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn spielen sie eine wichtige Rolle“, betont Kufer. „Wir hoffen, dass es zur Erklärung dieser Erkrankungen beiträgt, wenn wir die Funktionsweise der beteiligten Proteine besser verstehen. Nur so können wir neue Behandlungswege für diese Krankheiten finden.“ HEK-Zellen sind menschliche embryonale Nierenzellen, das Kürzel HEK steht für „Human Embryonic Kidney“. Sie werden seit Anfang der 1960er-Jahre hergestellt. Die Zelllinie HEK-293T, die in dieser Studie von den Hohenheimer Forschern eingesetzt wurde, entstand 1973 an der Universität Leiden (Niederlande). Ihr wurde Fremd-Erbgut eingeführt, und so erhielten die Zellen künstlich Charakteristika einer Krebszelle. In der Zellbiologie sind sie, etwa zur Entwicklung von Virenimpfstoffen oder Chemotherapeutika, weit verbreitet, da sie vergleichsweise leicht zu kultivieren sind.
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