Erbgut schädigende Verbindungen in Pflanzenölen nachgewiesen: Folgen für Haut, Leber, Ösophagus noch nicht klar6. März 2023 Foto: © Okea/stock.adobe.com Pflanzenöle, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, werden für eine gesunde Ernährung sehr empfohlen. Doch so gesund wie gedacht sind diese Öle nicht: Forschende haben mit einem neuartigen Verfahren erstmalig beachtliche Mengen an Erbgut schädigenden Substanzen in Pflanzenölen nachgewiesen. Prof. Gertrud Morlock, Inhaberin der Professur für Lebenswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), untersuchte zusammen mit dem Doktoranden Daniel Meyer 31 Produkte, in denen bis zu acht unterschiedliche Genotoxine nachgewiesen wurden. Analysiert wurden Olivenöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl, Distelöl, Leinöl, Sesamöl, Kokosöl, Erdnussöl, Hanföl und Walnussöl, darunter auch Bio-Produkte. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Food Chemistry“ veröffentlicht worden. Genotoxische Substanzen lösen Veränderungen an der DNA aus, dem genetischen Material von Zellen. Die Charakterisierung mittels hochauflösender Massenspektrometrie ergab, dass oxidierte Linolensäure in allen Proben eine Quelle der Genotoxizität darstellt. Die Menge der schädlichen Verbindungen in den untersuchten Ölen stieg mit zunehmender Lagerung an der Luft. Insbesondere die gesunden ungesättigten Fettsäuren sind dafür bekannt, dass sie anfällig für eine Oxidation sind, was zur Bildung von Epoxiden führt. „Epoxidierte Fettsäuren bespielsweise sind in ihrer genotoxischen Wirkung bereits bekannt, wurden bislang aber nicht in Pflanzenölen nachgewiesen“, sagt Morlock. „Unsere Analysen sind von großer Bedeutung, denn Pflanzenöle stecken in fast allen Lebensmitteln, in vielen Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika.“ Bei dem neuartigen Verfahren kombinierte das Forscherteam Methoden aus der Chemie und der Biologie auf einer Oberfläche: die chromatographische Trennung und den Wirkungsnachweis. „Mit dieser Methode erhält man deutlich aussagekräftigere Wirkstoffprofile als bislang möglich und kann genotoxische Verbindungen in komplexen Proben differenzierter und mit höherer Sensitivität visualisieren“, so Morlock. Diese wirkungsbezogene Analytik mittels Planar-Chromatographie hat sie an der JLU etabliert. „Die aktuell in der Lebensmittelanalytik verwendeten Methoden geben die Schadstoffbelastung mit Genotoxinen in komplexen Lebensmitteln wie Ölen nicht richtig wieder, da deren Signale von übermächtigen anderen Signalen überlagert werden.“ Morlock plädiert daher für einen Paradigmenwechsel bei der Analytik hin zu planaren bildbasierten Wirkstoffprofilen, um die Verbrauchersicherheit insbesondere bei Basislebensmitteln zu erhöhen. Um das leistungsstarke neue Verfahren zu verbreiten, wurde es als portables Open-Source-System miniaturisiert, das sie mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt hat und das weltweit einzigartig ist. Im Vergleich zu anderen Methoden ist es sehr nachhaltig bezüglich des geringeren Materialeinsatzes und -verbrauchs sowie der kleinen Nutzfläche, die zwei Labore ersetzt. Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, ob Mundschleimhaut, Speiseröhre und Haut als erste Kontaktstellen mit den Genotoxinen umgehen können und ob die Leber – sollten die Genotoxine überhaupt dort ankommen – diese Substanzen entgiften kann. „Erste Untersuchungen einer simulierten Metabolisierung mit Leberenzymen zeigen, dass die meisten Genotoxine von einer gesunden Leber entgiftet werden können“, berichtet Morlock. Zudem müssen weitere Studien durchgeführt werden, um Verarbeitungspraktiken, Produktformulierungen und geeignete Lagerungsbedingungen zu finden, die die Stabilität der ölhaltigen Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika über die empfohlene Produktlebensdauer gewährleisten. Die Forschung wurde unterstützt von der Firma Merck, Darmstadt.
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