Erblicher Darmkrebs: Gen-Varianten neu eingestuft, ein großer Teil davon als gutartig2. Oktober 2024 Isabel Spier (li.) und Stefan Aretz (Foto: © Dr. Inka Väth/Universitätsklinikum Bonn) Die genetische Sicherung der Verdachtsdiagnose „Erblicher Darmkrebs“ hat große Bedeutung für die betroffenen Familien, doch für viele der identifizierten Varianten in bekannten Genen können bisher hinsichtlich ihrer ursächlichen Rolle noch nicht sicher eingeordnet werden. Unter Federführung des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn hat ein internationales Forscherteam bei einem nennenswerten Anteil unklarer Varianten deren medizinische Relevanz neu bewertet und somit auch deren Anzahl wesentlich reduziert. Die Studienergebnisse wurden in der Zeitschrift „American Journal of Human Genetics“ veröffentlicht. In Familien mit erblichen Tumorerkrankungen besteht ein hohes Risiko für das Auftreten bestimmter Krebserkrankungen wie zum Beispiel Darm- oder Brustkrebs. Für viele häufig vorkommende erbliche Tumorsyndrome gibt es inzwischen sehr wirksame, intensive und früh beginnende Krebs-Früherkennungs-Programme und andere vorbeugende Maßnahmen. Die rechtzeitige Erkennung und sichere Diagnose einer erblichen Veranlagung ist deshalb für die betroffenen Familien äußerst wichtig. Varianten unklarer Signifikanz Durch die zunehmend umfangreicheren genetischen Untersuchungen werden in den verantwortlichen Erbanlagen aber auch immer mehr genetische Varianten gefunden, deren ursächliche Bedeutung für die Tumorentstehung derzeit noch ungeklärt ist. Man spricht hier von Varianten unklarer Signifikanz (VUS). Dies hat zur Folge, dass es sich bei den in öffentlichen internationalen Datenbanken (insbesondere ClinVar) gelisteten Varianten inzwischen bei manchen Genen in mehr als 50 Prozent der Varianten um eine VUS handelt. „Diese können nicht zur Diagnosestellung und auch nicht zur Testung gesunder Risikopersonen verwendet werden; andererseits erzeugen sie aber oft große Unsicherheit, da Träger einer VUS möglicherweise ein erhöhtes Tumorrisiko tragen“, sagt Co-Seniorautorin Dr. Isabel Spier vom Institut für Humangenetik. Viele Gen-Varianten haben doch keine Relevanz für die Tumorbildung Am Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen des UKB beschäftigen sich Forschende seit Jahren mit der Identifizierung neuer genetischer Ursachen für erbliche Tumorerkrankungen. Zur Lösung der Probleme bei der Interpretation von VUS wurden unter Führung des Instituts für Humangenetik spezielle Klassifikationskriterien zur besseren Beurteilung von Varianten im APC-Gen entwickelt. Erbliche genetische Veränderungen dieses Gens sind verantwortlich für die Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), einer der häufigsten Ursachen für den erblichen Darmkrebs beziehungsweise erbliche Polypen-Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes. Im Rahmen des Hereditary Colorectal Cancer / Polyposis Variant Curation Expert Panels (VCEP) arbeitet die Forschergruppe um Prof. Stefan Aretz hierzu mit einem internationalen und multidisziplinären Expertenteam zusammen, basierend auf einer Zusammenarbeit der International Society for Gastrointestinal Hereditary Tumours (InSiGHT) und der Clinical Genome Resource (ClinGen). „Die von uns entwickelten Gen-spezifischen Klassifikationskriterien erlaubten uns jetzt, einen deutlichen Anteil von VUS des APC-Gens in eine medizinisch relevante Kategorie zu reklassifizieren“, erläutert Aretz, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist.Das Forschungsteam bewertete dabei alle der insgesamt mehr als 10.000 APC-Keimbahn-Varianten, die in den öffentlichen Datenbanken ClinVar und LOVD gelistet sind. Unter den Varianten mit einer anfänglichen Klassifizierung als gutartig (benigne) oder krankheitsursächlich (pathogen) blieben etwa 95 Prozent in ihrer jeweiligen ursprünglichen Kategorie. Im Gegensatz dazu wurden 41 Prozent der in ClinVar und 61 Prozent der in LOVD hinterlegten VUS in klinisch bedeutsame Klassen neu eingestuft, die überwiegende Mehrheit davon als gutartig. Dabei zeigte sich auch, dass ein umfangreiches „Data-Mining“, das heißt die aufwendige Suche nach allen weltweit verfügbaren genetischen und klinischen Informationen über eine genetische Variante, sehr effektiv zur besseren Klassifizierung beiträgt. Insgesamt wurde die Gesamtzahl der VUS um 37 Prozent reduziert. „Da wir einen großen Teil der VUS als harmlose Normvarianten bewerten konnten, werden weltweit alle Träger dieser Varianten entlastet“, sagt Co-Seniorautor Aretz, der die enge Zusammenarbeit mit der Erstautorin Dr. Xiaoyu Yin aus Melbourne (Australien) während ihres sechsmonatigen Aufenthaltes als Gastwissenschaftlerin am UKB betonen möchte. Die Studie demonstriert auch die Durchführbarkeit der Variantenklassifizierung in einem großen Datensatz, die zukünftig als verallgemeinerbares Modell auch zur Interpretation von Varianten anderer Gene dienen könnte.
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