Erhöhtes Mortalitätsrisiko nach Organtransplantation: Zusammenhang mit Darmdysbiose gefunden

Abbildung: © Holly Design/stock.adobe.com (KI-generiert)

Ein aus dem Gleichgewicht geratenes Darmmikrobiom ist offenbar mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko nach einer Organtransplantation assoziiert.

Darüber berichtet einer niederländischen Arbeitsgruppe in der Zeitschrift „Gut“. Die spezifischen mikrobiellen Muster stünden zwar in Zusammenhang mit Todesfällen jeglicher Ursache, erklären die Wissenschaftler, seien aber insbesondere mit der Sterblichkeit aufgrund von Krebs und Infektionen assoziiert. Dies sei unabhängig davon, welches Organ – Niere, Leber, Herz oder Lunge – transplantiert werde.

Während die Zusammensetzung des Darmmikrobioms bekanntermaßen mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung steht – darunter Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Diabetes – gibt es laut den Verfassern der aktuellen Arbeit nur wenige Studien, die Daten für eine Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Darmmikrobiom und dem langfristigen Überleben liefern. Sie betonen auch, dass eine Dysbiose zwar allgemein mit einem erhöhten Sterberisiko in Verbindung gebracht worden ist, es aber bislang unklar gewesen sei, ob dies auch mit dem Gesamtüberleben bei bestimmten Erkrankungen verbunden sein könnte.

Um mehr darüber zu erfahren, untersuchten die Forschenden die Beziehung zwischen Darmdysbiose und Tod aufgrund aller und wegen bestimmter Ursachen unter Organtransplantierten, bei denen die Prävalenz von Darmdysbiose viel höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Dies mache sie zu einer idealen Gruppe, um die Zusammenhänge zwischen Darmdysbiose und Langzeitüberleben zu untersuchen, sagen die Forschenden um Erstautor J. Casper Swarte von der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am University Medical Centre Groningen (Niederlande).

Sie analysierten die Mikrobiomprofile von 1337 Stuhlproben die von 766 Nieren-, 334 Leber-, 170 Lungen- und 67 Herztransplantatempfängern stammten. Diese Profile verglichen sie anschließend mit denen von 8208 Personen, die in derselben geografischen Region im Norden der Niederlande lebten wie die Transplantierten.

Die Transplantatempfänger – mehr als die Hälfte  (784; 59%) von ihren Männer – waren im Durchschnitt 57 Jahre und hatten ihr Transplantat im Mittel 7,5 Jahre vor Einschluss in die Studie erhalten. Während eines Nachbeobachtungszeitraumes von bis zu 6,5 Jahren verstarben insgesamt 162 Organempfänger: 88 hatten einer Niere erhalten, 33 eine Leber, 35 ein Lungentransplantat und 6 ein Spenderherz. 48 der Patienten (28%) starben an einer Infektion, 38 (23%) an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 38 (23%) an Krebs und 40 (25%) an einer anderen Ursache.

Die Forscher untersuchten in den gesammelten Proben mehrere Indikatoren für eine Darmdysbiose: die mikrobielle Diversität, wie sehr sich das jeweilige Darmmikrobiom vom durchschnittlichen Mikrobiom in der Allgemeinbevölkerung unterschied, die Prävalenz von Antibiotikaresistenzgenen sowie Virulenzfaktoren, die Bakterien helfen, in Zellen einzudringen und der Immunabwehr zu entgehen.

Laut der Analyse war die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Transplantempfänger in kürzerem zeitlichen Abstand nach dem Eingriff verstarben, stieg, je stärker sich das Darmmikrobiomprofil der Transplantempfänger von dem der Allgemeinbevölkerung unterschied – unabhängig vom transplantierten Organ. Ähnliche Zusammenhänge ergaben sich für die Häufigkeit von Antibiotikaresistenzgenen und Virulenzfaktoren.

Die Wissenschaftler identifizierten unter allen Transplantationsempfängern 23 Bakterienarten, die mit einem erhöhten oder niedrigeren Sterberisiko aufgrund aller Ursachen verbunden waren. So wurde beispielsweise ein Überfluss an vier Clostridium-Arten mit Todesfällen aller Ursachen und insbesondere mit Infektionen in Verbindung gebracht, während ein erhöhter Anteil an Hangatella Hathewayi und Veillonella parvula mit Todesfällen aufgrund jedweder Ursache und insbesondere mit Infektionen assoziiert war. Eine große Anzahl von Ruminococcus gnavus, jedoch geringe Mengen von Germigger formicilis, Firmicutes-Bakterium CAG 83, Eubacterium hallii und Faecalibacterium prausnitzi brachten die Forschenden mit Todesfällen aufgrund aller Ursachen und insbesondere Krebs als Grund für den Tod in Verbindung. Alle letztgenannten vier Arten produzieren die kurzkettige Fettsäure Butyrat, die unter anderem entzündungshemmend wirkt und hilft, die Integrität der Darmwand aufrechtzuerhalten.

Die Arbeitsgruppe analysierte außerdem alle Bakterienarten gleichzeitig mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). Dies ergab ein zweites Muster von 19 verschiedenen Arten, die ebenfalls mit einem erhöhten Sterberisiko in Verbindung gebracht wurden.

Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können keine endgültigen Schlussfolgerungen zur kausalen Rolle bestimmter Bakterien gezogen werden. Die Forschenden formulieren jedoch: „Unsere Ergebnisse stützen neuere Erkenntnisse, die zeigen, dass eine Dysbiose des Darms mit dem langfristigen Überleben in Zusammenhang steht. Dies deutet darauf hin, dass Therapien, die auf das Darmmikrobiom abzielen, die Behandlungsergebnisse der Patienten verbessern könnten, obwohl zunächst die kausalen Zusammenhänge identifiziert werden müssen.“