Sichelzellenanämie: Erste Ergebnisse zur Gentherapie bei Kindern überzeugen

Symbolbild Gentherapie (Foto: © topshots – stock.adobe.com)

Vorläufige Ergebnisse aus zwei Studien deuten darauf hin, dass die Gentherapie mit Exagamglogene Autotemcel bei Kindern unter zwölf Jahren eine wirksame Heilung der Beta-Thalassämie und Sichelzellenanämie ermöglicht. 

„Alle jüngeren Patienten mit ausreichender Nachbeobachtungszeit erreichten den primären Endpunkt, also Transfusionsunabhängigkeit bei Patienten mit Beta-Thalassämie und Freiheit von vaso-okklusiven Krisen bei Patienten mit Sichelzellenanämie“, fasste der leitende Studienautor Haydar Frangoul, MD, die Ergebnisse zusammen. „Eine Erfolgsquote von 100 Prozent ist bei allem, was wir tun, selten“, erklärte der Hämatologe auf der Jahrestagung der American Society of Hematology.

Blutstammzellen werden genetisch verändert

Exagamglogene Autotemcel (Exa-cel) ist für Patienten ab zwölf Jahren zugelassen, die an einer transfusionsabhängigen Beta-Thalassämie oder Sichelzellenanämie mit wiederkehrenden vaso-okklusiven Krisen leiden. Beide Erkrankungen werden durch genetische Anomalien verursacht, die die Fähigkeit des Blutes beeinträchtigen, Sauerstoff durch den Körper zu transportieren. Exa-cel wirkt, indem es die körpereigenen Blutstammzellen des Patienten genetisch verändert, um diese Anomalie zu korrigieren.

Für die Behandlung werden den Patienten Blutstammzellen entnommen, die dann im Labor mit CRISPR/Cas9 genetisch verändert werden. Anschließend wird der Patient einer Chemotherapie unterzogen, bevor ihm die genetisch veränderten Stammzellen wieder zugeführt werden, wo sie mit der Bildung gesunder Blutzellen beginnen.

Anstieg der Hämoglobinproduktion

Bis heute wurden im Rahmen der CLIMB THAL-141-Studie 13 Patienten mit Beta-Thalassämie und im Rahmen der CLIMB SCD-151-Studie elf Patienten mit Sichelzellenanämie behandelt. Das Team um Frangoul, medizinischer Direktor für pädiatrische Hämatologie/Onkologie am Sarah Cannon Research Institute am TriStar Centennial Children’s Hospital in Nashville (USA) stellt nun erste Ergebnisse vor.

So liegen in der Studie CLIMB THAL-141 bislang für sechs von 13 Patienten auswertbare Daten zum primären Endpunkt „Transfusionsunabhängigkeit über zwölf aufeinanderfolgende Monate“ vor. Alle sechs konnten demnach einen gewichteten durchschnittlichen Hämoglobinwert von 9 g/dl oder höher ohne eine Infusion mit roten Blutkörperchen aufrechterhalten. Darüber hinaus zeigten die Teilnehmer einen Anstieg der Hämoglobin- und Fötalhämoglobinproduktion.

Keine vaso-okklusiven Krisen

In der CLIMB SCD-151-Studie wurden bisher vier von elf Patienten hinsichtlich des primären Endpunktes „Freiheit von schweren vaso-okklusiven Krisen“ und des sekundären Endpunktes „Freiheit von stationären Behandlungen wegen schwerer vaso-okklusiver Krisen“ über einen Zeitraum von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten bewertet. Auch hier erreichten alle vier diese Endpunkte. Auch von den anderen Teilnehmern erlebte keiner nach der Infusion eine vaso-okklusive Krise. Allerdings liegen für diese Kinder noch keine Zwölf-Monats-Daten vor.

Der Anstieg der fetalen Hämoglobinproduktion entsprach in früheren Studien den Werten bei Jugendlichen und Erwachsenen, wobei das mittlere Gesamthämoglobin im sechsten Monat einen normalen Wert erreichte und danach stabil blieb.

Frühe Behandlung schützt vor Spätschäden

Den Forschern zufolge liefern die Ergebnisse nicht nur den Beweis, dass die Gentherapie bei jüngeren Patienten wirkt, sondern deuten auch darauf hin, dass sie in dieser Altersgruppe sogar noch vorteilhafter sein könnte. „Wir glauben, dass eine Behandlung in einem früheren Alter besser sein könnte, da man so möglicherweise einige irreversible Komplikationen verhindern könnte, die zu chronischen Problemen führen“, erklärte Frangoul.

Basierend auf den bisherigen Erfahrungen scheint das Sicherheitsprofil der Therapie in diesen pädiatrischen Studien auch mit den Studien an Jugendlichen und Erwachsenen sowie mit den bekannten Nebenwirkungen und Komplikationen im Zusammenhang mit autologer Stammzelltransplantation und Busulfan-Konditionierung übereinzustimmen. Ein Studienteilnehmer in CLIMB THAL-141 entwickelte eine schwere veno-okklusive Erkrankung im Zusammenhang mit Busulfan, die zu einem tödlichen Multiorganversagen führte. Die veno-okklusive Erkrankung ist ein bekanntes Risiko des Zytostatikums, das bei Kindern häufiger auftritt. Trotz jahrzehntelanger Forschung zu Busulfan und alternativen Konditionierungsschemata im Zusammenhang mit Stammzelltransplantationen gibt es keine bekannte Strategie, um dieses Risiko vollständig zu beseitigen.

Die Studien CLIMB THAL-141 und CLIMB SCD-151 werden weiterhin Teilnehmer aufnehmen und die Ergebnisse verfolgen, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Gentherapie über einen längeren Zeitraum und in einer größeren Patientengruppe zu bewerten. Frangoul hält auch eine Studie mit Kindern im Alter von zwei bis vier Jahren für möglich. (ej/BIERMANN)