Erste Kinderherztransplantation trotz unterschiedlicher Blutgruppe

Das Operationsteam (v.l.): Prof. Eugen Sandica, Rainer Block (Kardiotechnik), Prof. Andreas Koster (Kinderanästhesiologie) und Prof. Stephan Schubert (Foto: Marcel Mompour | © HDZ NRW)

Am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, wurde erstmals eine AB0-inkompatible Herztransplantation durchgeführt.

Im Kinderherzzentrum des Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen hat ein kleines Mädchen am 16. September gemeinsam mit den Eltern seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Das ist ein kleines Wunder. Denn die zweijährige Dalyah lebt, weil die Herzspezialisten um Prof. Stephan Schubert und Prof. Eugen Sandica ein neues komplexes Verfahren der Blutfilterung (Gycosorb Filter, Glycorex) einsetzten, um die Transplantation eines blutgruppenungleichen Spenderherzens zu ermöglichen.

Diese AB0-inkompatible Herztransplantation wurde zum allerersten Mal in Deutschlands größtem Herztransplantationszentrum durchgeführt. Der Stand der Forschung zu diesem Thema und klinische Erfahrungen aus dem Ausland lasse hoffen, damit schwer herzkranken und dringend auf ein Spenderherz wartenden Kindern angesichts weiterhin zunehmender Wartezeiten besser als bisher helfen zu können, sagen die Experten.

Bei einer Herztransplantation bedeutet eine Blutgruppenungleichheit zwischen Empfänger und Spenderorgan grundsätzlich ein lebensbedrohliches Risiko. Das deutsche Transplantationsgesetz erlaubt einen solchen Eingriff daher nur bei Kindern, die noch nicht zwei Jahre alt sind. Weil bis zu diesem Alter das Immunsystem in aller Regel noch nicht so ausgereift ist, kann eine Abstoßungsreaktion des Spenderorgans bei entsprechender Vorbereitung während und nach der Operation vermieden werden.

„Als Dalyah vor fünf Monaten zu uns kam, litt sie an einer nicht heilbaren, genetisch bedingten Herzmuskelerkrankung“, berichtet Schubert, Klinikdirektor der Kinderkardiologie am HDZ NRW. „Im Juli wurde sie auf die Warteliste für ein Spenderherz aufgenommen.“ Das Problem: Die Chancen, ein geeignetes Spenderorgan zu erhalten, sind bei sehr kleinen Kindern oft sehr gering. Oft überleben sie die Wartezeit nicht. „Bei einigen Patienten gelingt eine Überbrückung dann auch nur mit einer künstlichen Herzunterstützung. Diese Therapie ist im Vergleich zu einer Herztransplantation gerade bei kleinen Kindern aber auch mit Risiken verbunden, und die wollten wir bei Dalyah möglichst umgehen.“

Vorbereitung auf die Operation

In enger interdisziplinärer Abstimmung aller Voruntersuchungen erörtern die Experten im HDZ den Fall ihrer kleinen Patientin mit dem Ergebnis, dass eine Herztransplantation die vielversprechendste Therapiemöglichkeit darstellte, wobei eine AB0-inkompatible Herztransplantation als die am ehesten wahrscheinliche Lösung erschien. Dafür wurde die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie angepasst. „Auf der Kinderstation hat unsere Patientin regelmäßig Unterstützungsmedikamente erhalten, sodass die Herz-Kreislauffunktion vor der Transplantation stabil gehalten werden konnte“, erläutert Schubert. Überraschend meldet Eurotransplant schon im August ein zur Verfügung stehendes Spenderherz mit der passenden Größe. Wie erwartet, stimmen die Blutgruppen des verstorbenen Kindes und der Patientin allerdings nicht überein.

Blutfiltration und Herz-Lungen-Maschine im OP-Saal

Sandica zählt zu den erfahrensten Kinderherzchirurgen in Europa. Gemeinsam mit einem neunköpfigen Operationsteam führte er Dalyahs Herztransplantation durch, die fünf Stunden dauerte. Möglich wurde diese AB0-inkompatible Transplantation durch ein erstmalig in Deutschland angewendetes komplexes Verfahren der intraoperativen Blutfiltration. Hierbei wird an der Herz-Lungen-Maschine zunächst das Blutplasma von den Blutzellen getrennt und anschließend gefiltert, um Blutgruppen-Antikörper zu entfernen. Das von Antikörpern befreite Plasma wird anschließend wieder dem Blutstrom zugeführt. Die Filtration erfolgt so lange, bis ein kritischer Antikörpertiter unterschritten wird. Hierdurch wird eine Reaktion des Körpers aufgrund der Blutgruppenunterschiede verhindert, ohne dass es notwendig ist, das Blut der kleinen Patientin über massive risikobehaftete Bluttransfusionen auszutauschen.

Die Kinderherz-Anästhesisten Prof. Andreas Koster und Henning Starke sowie die Kardiotechniker Rainer Block und Michael Kaufmann übernahmen neben der wichtigen Überwachung und Steuerung der Vitalwerte die mehrfache Erhebung der Laborwerte, mit der die Antikörpertiter während der Zeit an der Herz-Lungen-Maschine überwacht wurden. Das setzte auch ein extrem leistungsfähiges Labor voraus, da die Messergebnisse der aufwendigen Labortests in kürzester Zeit zur Verfügung stehen mussten, um die Therapie entsprechend anzupassen.

In Bad Oeynhausen warten aktuell drei Kinder (bis 15 Jahre) auf ein Spenderherz, eines davon ist erst wenige Monate alt. Vor allem im Kinderbereich ist seit Jahren mit zunehmenden Wartezeiten zu rechnen. „Die Möglichkeit einer Herztransplantation trotz Blutgruppenungleichheit würde ihre Überlebenschancen signifikant erhöhen und vor allem die Wartezeit verringern“, sagen die Klinikdirektoren des Bad Oeynhausener Kinderherzzentrums. Mehr als 200 Kinder unter 18 Jahren haben hier bereits ein Spenderherz erhalten, das Jüngste war ein zwei Tage alter Säugling.

Von ihrer schweren Operation hat sich Dalyah inzwischen erholt. Am Entlassungstag dürfen ihre Eltern sie glücklich in die Arme und mit nach Hause nehmen. Dort wollen sie noch viele Geburtstage miteinander feiern.