Erste Leitlinie zur Interstitiellen Zystitis26. März 2018 DGU-Pressesprecher Christian Wülfing. Foto: Solcher Mit der ersten deutschen Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Zystitis (IC/BPS)“ haben die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Förderverein für Interstitielle Zystitis, der ICA-Deutschland (ICA), einen Fortschritt für eine bessere Versorgung der Betroffenen erreicht. Stechende Unterleibsschmerzen und Harndrang mit bis zu 60 Toilettengängen über Tag und Nacht: Die überwiegend weiblichen Patienten mit einer Interstitiellen Zystitis (IC) stehen unter enormem Leidensdruck; häufig führt die Erkrankung in die Isolation und in die Erwerbsunfähigkeit. Zudem ist das Krankheitsbild noch immer relativ unbekannt und die chronische Entzündung der Blasenwand bis heute schwer zu diagnostizieren. Im Durchschnitt dauert es neun Jahre bis zur Diagnosestellung; bei der Hälfte der Patienten sind mehr als 20 Arztbesuche notwendig. Die Diagnose „Interstitielle Zystitis“ wird nach oft jahrelanger Arzt-Odyssee zu 99 Prozent von Urologen gestellt. Die Konsultationsfassung der Leitlinie entstand denn auch unter Federführung der DGU entstand. Sie erscheint in Kürze auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). „Mit der interdisziplinären Leitlinie haben wir nun die Möglichkeit, über die Fachgebiete hinweg zu informieren, die Sensibilität der Ärzte für die IC in der Breite zu schärfen und die Versorgungsqualität zu optimieren“, sagt DGU-Pressesprecher Prof. Christian Wülfing. Adressaten der Leitlinie sind vor allem Ärzte und Behandler der Fachrichtungen Urologie, Gynäkologie, Allgemeinmedizin, Schmerztherapie und Physiotherapie. Als Leitlinien-Koordinator hat sich Prof. Thomas Bschleipfer, Weiden, für die Fachgesellschaft verdient gemacht. Leitlinie von ICA initiiert „Nach jahrzehntelangen Bemühungen um Standards für Diagnostik und Therapie der seltenen Krankheit ist mit einer Leitlinie der Qualität S2k ein weiterer entscheidender Meilenstein erreicht“, sagt Bärbel Mündner-Hensen. Sie ist Gründungsmitglied und Bundesvorsitzende des ICA, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen begeht. Der Förderverein tritt auf wissenschaftlicher und politischer Ebene national und international für die Belange der IC-Patienten ein und hat das Leitlinien-Vorhaben bei der DGU initiiert. Bereits 2017 hatte der ICA, der in seinem medizinischen Beirat mit renommierten Medizinern zusammenarbeitet zwei Ziele erreicht: So entwickelte der gemeinnützige Verein einen Anforderungskatalog für die Zertifizierung von ausgewiesenen Behandlungszentren. Im September 2017 konnte das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum am Schwarzwald-Baar-Klinikum als europaweit erstes Kompetenzzentrum ausgezeichnet werden. Inzwischen haben auch das Marien-Hospital in Herne und das Städtische Klinikum Lüneburg das Akkreditierungsverfahren erfolgreich durchlaufen; weitere Zertifizierungen stehen bevor. Für eine erstattungsfähige Medikation hatte der ICA lange gekämpft. Mit der Zulassung des Wirkstoffs Natrium-Pentosanpolysulfat für die Therapie der IC durch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) steht den Betroffenen seit Oktober 2017 erstmals ein Medikament zur Verfügung, das von den Krankenkassen bezahlt wird. Hoher Forschungsbedarf Heilbar ist die IC nicht. Multimodale Therapien, unter anderem medikamentöse Therapien, Blaseninstallationen und Schmerztherapie, können lediglich ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern und Symptome lindern. Ursachen der IC, die mit Begleiterkrankungen wie Muskel- und Gelenkschmerzen, Migräne, depressiven Verstimmungen, Allergien, Dickdarm- und Magenproblemen einhergeht, sind nicht hinlänglich bekannt. Beschrieben wird die Erkrankung als ein Immun- und Barrieredefekt im Gewebe der ableitenden Harnwege, im Besonderen der schützenden sogenannten GAG-Schicht der Harnblase, wodurch die Blasenwand vermehrt schädigenden Bestandteilen des Urins ausgesetzt ist und ein andauernder Entzündungsprozess ausgelöst werden kann. Schätzungen zufolge sind in Europa 18 von 100 000 Frauen betroffen, die Dunkelziffer gilt als sehr hoch. „Die erfolgreiche Implementierung der Leitlinie kann hier gegensteuern“, sagt DGU-Pressesprecher Wülfing. Der Forschungsbedarf bleibt weiter hoch. „Um Therapieoptionen besser erforschen zu können, benötigen wir als nächsten Schritt einen wissenschaftlichen Konsens über die exakte Differenzierung der verschiedenen Ausprägungen der Erkrankung, der bei künftigen Studien eine genauere Patienten-Auswahl erlaubt“, so Mündner-Hensen, die bereits 2013 für ihr Engagement für die IC-Forschung, Aufklärung, ärztliche Fortbildung und die IC-Selbsthilfe mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt wurde. Aktuell läuft eine klinische Medikamenten-Studie, die unter anderem von DGU-Leitlinien-Koordinator Bschleipfer geleitet wird. Ärzte und Patienten finden auf der Homepage des ICA umfangreiche Informationen über die IC. (DGU/ms)
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