ESCMID Global 2024: Forschungsergebnisse deuten auf Option eines personalisierten Behandlungsansatzes beim Reizdarmsyndrom nach Infektionen hin

Abbildung: © Rasi/stock.adobe.com

Personalisierte „Cocktails“ aus Antibiotika, Probiotika und Präbiotika haben sich in neuen Forschungen als vielversprechend bei der Behandlung einer häufigen Form des Reizdarmsyndroms (RDS) erwiesen.

Das berichteten Wissenschaftler kürzlich beim ESCMID Global Congress (früher ECCMID) der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases in Barcelona (Spanien; 27.-30. April). Sie hatten Untersuchungen zum Postinfektions-RDS (PI-RDS) durchgeführt, einer Form des Reizdarmsyndroms, das nach einer Gastroenteritis oder einer Lebensmittelvergiftung auftritt.

Prof. Maurizio Sanguinetti von der Università Cattolica del Sacro Cuore in Rom (Italien), Leiter der Studie, erklärte: „Die Schätzungen variieren, aber Untersuchungen zeigen, dass etwa zehn bis 30 Prozent aller Menschen, die an akuter Gastroenteritis leiden, ein PI-RDS entwickeln.“ Symptome wie Diarrhoe, Obstipation, Blähungen und Schmerzen im Abdomen können noch Monate oder sogar Jahre nach der Erstinfektion anhalten. Sanguinetti ergänzt: „Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität. Dabei geht es typischerweise um eine Kombination aus Ernährungsumstellungen, Veränderungen der Lebensgewohnheiten, Medikamente gegen Diarrhoe, Probiotika und andere Medikamente sowie psychologische Therapien, wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie. Allerdings können die Symptome von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen, und die Patienten sprechen möglicherweise nicht immer auf herkömmliche Therapien an, was bedeutet, dass die Behandlung schwierig sein kann. Angesichts der Tatsache, dass eine Gastroenteritis die Darmmikrobiota stören kann, ist die Wiederherstellung einer gesunden Mikrobiota ein potenzieller Behandlungsweg.“

Um das Potenzial einer gezielten Darmmikrobiota-Therapie zu untersuchen, führten Sanguinetti und Kollegen eine entsprechende Pilotstudie mit 13 PI-RDS-Patienten (8 Männer, 5 Frauen; Durchschnittsalter 31 Jahre) durch. Neun der Patienten (69,2%) litten unter Reizdarmsyndrom mit dominierender Diarrhoe (RDS-D) und vier (30,8%) an einem Reizdarmsyndrom mit dominierender Obstipatioin (RDS-C). Blähungen und Schmerzen im Abdomen traten bei 69,2 Prozent (9/13) beziehungsweise 76,9 Prozent (10/13) der Patienten auf.

Zunächst analysierte man die Darmmikrobiota der Patienten. Mithilfe der Erstellung eines genetischen Profils identifizierten die Forschenden in Stuhlproben vorhandene Bakterien, wobei sie auch die Häufigkeit der verschiedenen Bakterienarten ermittelten. Es zeigte sich, dass 23 Prozent (3/13) der Patienten eine geringere Bakterienvielfalt aufwiesen als erwartet. Bei ebenfalls 23 Prozent (3/13) zeigte sich ein hoher Anteil an Proteobakterien. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass eine höhere Anzahl dieser Bakterienart zu einer Verschlimmerung des PI-RDS führen kann. Bei 61,5 Prozent der Untersuchten (8/13) ergaben sich niedrige Werte für Akkermansia und 69 Prozent (9/13) ebenfalls niedrige Werte für Bifidobacterium. Beide Bakterienarten wirken sich schützend aus.

Anschließend wurde für jeden Patienten auf der Grundlage seiner Laborergebnisse eine personalisierte Therapie entwickelt – mit dem Ziel, die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Diese personalisierte Intervention bestanden aus kurzen Behandlungen mit den Antibiotika Rifaximin (9/13; 69% der Patienten) oder Paromomycin (4/13; 31%), um die Konzentration potenziell schädlicher Bakterien zu reduzieren, gefolgt von Präbiotika und/oder Postbiotika, um die Zahl der schützenden Bakterien zu erhöhen, die mit den schädlichen Bakterien um Platz und Ressourcen konkurrieren. Bei den Präbiotika handelte es sich um Inulin und Flohsamen (9/13; 69%), bei den Probiotika um Bifidobacterium (5/13; 38,5%), Lactobacillus (7/13; 54%), Escherichia coli Nissle 1917 (2/13; 15%) und auf mehreren Arten basierende Probiotika (5/13; 38,5%).

Die Wissenschaftler beurteilten Symptome wie abdominale Schmerzen, Blähungen, Obstipation und Diarrhoe mit der Bewertungsskala für gastrointestinale Symptome (GSRS). Zu beobachten war, dass es zwölf Wochen nach Beginn der Behandlung bei 93 Prozent (12/13) der Patienten zu einer Besserung der Symptome kam und 38,5 Prozent (5/13) eine vollständige Remission erreichten.

„Ein präzisionsmedizinischer Ansatz, bei dem Tests und sorgfältige Analysen der Darmmikrobiota die Entwicklung personalisierter Behandlungen ermöglichen, ist bei der Behandlung des Reizdarmsyndrom nach einer Infektion vielversprechend”, formuliert Sanguinetti und wagt einen Blick in die Zukunft: „Es sind zwar noch strenge, größere Studien erforderlich, um diese vorläufigen Ergebnisse zu bestätigen, doch wird diese Art von Tests wahrscheinlich bald in großem Umfang bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms nach einer Infektion und anderen ähnlichen Erkrankungen eingesetzt werden.“