EU-Regeln gegen Abwanderung von Ärzten: KBV und BFAV lehnen Spahns Pläne ab

Foto: © strichfiguren.de – Fotolia.com

Jens Spahn möchte mit neuen EU-Regeln die Abwanderung von Ärzten in das europäische Ausland stoppen. Andreas Gassen, Vorsitzender der KBV, und der BFAV reagieren ungehalten und lehnen Spahns Pläne strikt ab. Ihnen zufolge ist die offensichtliche Lösung, den Arztberuf in Deutschland attraktiver zu gestalten. 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte in einem gestern veröffentlichten Interview mit der Schweizer Zeitung “SonntagsBlick”, dass zu überlegen sei, ob die Abwerbung von Fachleuten innerhalb der EU neu geregelt werden müsse (nähere Infos hier).

KBV-Vorsitzender Gassen kritisiert

Anlässlich dieses Vorhabens hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, heute in einer Presseerklärung kritisiert:

„Die Lösung liegt doch auf der Hand: Nur mit guten Rahmenbedingungen lassen sich die so dringend benötigten Ärzte und Pflegekräfte in Deutschland halten. Wir müssen unseren Standort attraktiv gestalten, denn wir stehen in einem internationalen Wettbewerb. Erbrachte Leistungen müssen vollständig und attraktiv vergütet werden. Die Ausübung des Berufs muss frei sein und darf nicht durch überbordende Gesetze gegängelt werden. Es ist der falsche Weg, jetzt über neue einschränkende Regelungen auf EU-Ebene nachzudenken. Das Prinzip der Freizügigkeit zeichnet die EU aus. Das andere Prinzip – nämlich eine immer striktere Regulierung – droht leider verstärkt bei uns einzuziehen durch mehr Staatsmedizin, mehr Eingriffe in Praxisabläufe sowie verpflichtende Landarztquoten. Kurzum: Unser Standort wird zunehmend unattraktiver.“

BFAV entsetzt über Spahns “Notplan”

Nach Meinung des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV) ist die zunehmende Abwanderung von deutschen Ärzten und Pflegekräften – insbesondere nach Österreich und in die Schweiz – den sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen im Inland geschuldet. 

„Die Lösung des Ärztemangels in Deutschland liegt für jeden sichtbar auf der Hand. Die Attraktivität des Arztberufes muss gesteigert werden“, so fordert BFAV-Sprecher Dr. Wolfgang Bärtl, niederglassener Orthopäde in Neumarkt/Opf., in einer Pressemitteilung eindringlich vom Bundesgesundheitsminister, die „Idee einer Zwangsrepatriierung als untaugliches Instrument einer völlig fehlgesteuerten Gesundheitspolitik“ fallen zu lassen. Jens Spahn scheine jedoch auf diesem Auge blind zu sein und lege stattdessen weitere Gesetze vor, um die berufliche Freiheit und die wirtschaftlichen Bedingungen der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland weiter zu verschlechtern.

Üble Rahmenbedingungen

Beispielhaft benennt der BFAV-Sprecher das TSVG, die Telematik-Zwangsvernetzung, sowie die fortgesetzte Budgetierung. Insofern sei der aktuelle Vorschlag, die Personenfreizügigkeit für Ärzte innerhalb der EU einzuschränken, „entsetzlich konsequent, denn Republikflucht ist im Moment die aussichtsreichste Option für Ärzte, freiberufliche Werte einzufordern – Schweigepflicht und selbständige Berufsausübung mit angemessener Vergütung.” Die Berufsgruppe sehe sich seit Jahren einem planwirtschaftlichen Gesundheitssystem gegenüber, in welchem der Staat nunmehr Ort, Zeit, Dauer, Höhe der Vergütung mit permanenter Unterdeckung und Art und Weise der Berufsausübung festlegt.

Totalitäre Entscheidungsstrukturen

Aktuell soll sogar die evidenzbasierte Medizin zu Gunsten totalitärer Entscheidungsgewalt des Ministeriums durch Entmachtung des G-BA als Selbstverwaltungsorgan verlassen werden. „Hier geht es nicht mehr nur um ein neues Gesetzesvorhaben im BMG, sondern um Entzug verbriefter, demokratischer Grundrechte für Ärzte,“ so zeigt sich Bärtl empört. Der BFAV lehnt diese Eingriffe entschieden ab – auch Ärzte, Heilberufler und Pflegekräfte seien keine Bürger zweiter Klasse.