Faktor Crol: Hormonwirkung bei Darmkrebs mittels Taufliegen entschlüsselt

Wissenschaftler haben ein innovatives Darmkrebs-Modellsystem mit Taufliegen entwickelt. Das Darmgewebe von Drosophila melanogaster ähnelt dem menschliche in Bezug auf Struktur und Funktion. (Foto: © Hasnain/stock.adobe.com)

Düsseldorfer Wissenschaftler haben einen wichtigen Mechanismus entdeckt, der erklärt, warum Hormone bei Darmkrebs sowohl schützend als auch fördernd wirken können. Die Forschenden nutzten dafür ein neuartiges Modell mit Taufliegen.

Die Erkenntnisse der Forschenden von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf könnten zu besseren Therapien für die jährlich 60.000 Darmkrebsneuerkrankungen in Deutschland führen. Die Studie wurde von der Wilhelm Sander Stiftung mit 100.000 Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert und wurde kürzlich in „Nature Communications“ veröffentlicht.

Warum Frauen seltener an Darmkrebs erkranken als Männer, beschäftigt Forschende seit Langem. „Unsere Studie zeigt erstmals, wie derselbe hormongesteuerte Faktor sowohl das Tumorwachstum hemmen als auch fördern kann – je nachdem, wo er aktiv ist“, erklärt Projektleiter Dr. Tobias Reiff vom Institut für Genetik.

Für seine Forschung entwickelte das Team ein innovatives Modellsystem mit Drosophila melanogaster. „Die Taufliege eignet sich hervorragend für unsere Untersuchungen, da ihr Darmgewebe dem menschlichen in Struktur und Funktion sehr ähnlich ist“, erläutert Reiff. „Auch die relevanten Signalwege und Hormone sind nahezu identisch.“

Entwicklung zweier Modelle unter Berücksichtigung des Tumormilieus

Den Forschenden gelang es, zwei entscheidende Tumormodelle zu entwickeln: eines für benigne Stammzelltumore und ein weiteres, das maligne Tumore nachbildet. Reif: „Diese Modelle ermöglichen uns erstmals, nicht nur die Tumore selbst, sondern auch ihre Umgebung – das sogenannte Tumormilieu – gezielt genetisch zu verändern und anschließend Effekte auf das Tumorwachstum zu untersuchen.“

Ein Durchbruch gelang dem Team mit der Identifizierung des Faktors Crooked-legs (Crol). „Wir konnten nachweisen, dass Crol eine doppelte Rolle spielt“, erklärt Doktorandin Lisa Zipper, die Erstautorin der Studie. „Im Tumorgewebe selbst wirkt er als Tumorsuppressor, wird er jedoch im umgebenden Gewebe aktiviert, fördert er das Tumorwachstum.“ Diese Entdeckung erklärt auch einige bisher widersprüchlichen Forschungsergebnisse zur Rolle von Hormonen bei Darmkrebs. Besonders bedeutsam ist die Verbindung zu einem der wichtigsten Signalwege bei Darmkrebs: „Wir konnten zeigen, dass Crol im Tumormilieu die Produktion des Signalmoleküls Wnt/Wingless reguliert“, berichtet Zipper. Dieser Signalweg ist bei mehr als 80 Prozent aller Darmkrebspatienten durch Mutationen gestört.

In Zusammenarbeit mit Prof. Bernat Corominas-Murtra von der Universität Graz (Österreich) entwickelte das Team zusätzlich ein mathematisches Modell. „Dieses Modell stellt nach, wie Crol in gesundem Gewebe die Darmgröße und Zellzahl dynamisch stabilisiert – eine Funktion, die Tumore sich zunutze machen“, erläutert Reiff.

Die neuen Erkenntnisse könnten den Weg für gezieltere Therapieansätze ebnen. „Wir verstehen jetzt besser, warum Hormone geschlechtsspezifisch wirken und Therapieerfolge unterschiedlich ausfallen.“, resümiert Reiff. „Dies ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung personalisierter Therapiestrategien.“