Faktor Häufigkeit: Verbindung zwischen Stuhlfrequenz und Allgemeingesundheit entdeckt22. Juli 2024 Foto: © Animaflora PicsStock/stock.adobe.com Forschende zeigen in einer neuen Veröffentlichung, dass Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index (BMI) signifikant mit der Häufigkeit des Stuhlgangs assoziiert sind. Die Wissenschaftler vom Institute for Systems Biology (ISB) in Seattle (USA) untersuchten klinische und Lebensstilinformationen sowie Multiomics-Daten von mehr als 1400 gesunden Personen. Dabei stellten sie fest, dass die Stuhlfrequenz großen Einfluss auf Physiologie und Gesundheit haben kann. Die Arbeitsgruppe konzentrierte sich dabei auf Probanden mit guter Allgemeingesundheit und schloss Personen mit bestimmten Erkrankungen oder Medikationen von der Analyse aus. Vier Kategorien von Stuhlfrequenz untersucht Die Auswertung stützte sich auf Angaben der Studienteilnehmer selbst bezüglich der Stuhlhäufigkeit und teilte sie dementsprechend in vier Kategorien ein: solche mit Obstipation (Stuhlgang ein- oder zweimal pro Woche), solche im niedrigen Normalbereich (zwischen drei und sechs Stuhlgänge wöchentlich), im hohen Normalbereich (zwischen ein- und dreimal pro Tag) und solche mit Diarrhoe. Nach der Einteilung in diese Gruppen betrachteten die Forschenden Zusammenhänge der Stuhlfrequenz und demografischen und genetischen Faktoren sowie dem Darmmikrobiom, Metaboliten im Blut und der Plasmachemie. Im Ergebnis zeigte sich, dass Alter, Geschlecht und BMI in einem signifikanten Zusammenhang mit der Häufigkeit des Stuhldrangs standen: Jüngere Menschen, Frauen und Personen mit einem niedrigeren BMI gingen seltener zur Toilette. „Aus vorangegangenen Studien wissen wir, dass die Häufigkeit des Stuhlgangs großen Einfluss auf die Funktion des Darmökosystems haben kann“, erläutert Johannes Johnson-Martinez, Hauptautor der aktuellen Arbeit. „Wenn der Stuhl zu lange im Darm verbleibt, brauchen die Mikroben dort alle verfügbaren Ballaststoffe aus der Nahrung auf und fermentieren sie in nützliche kurzkettige Fettsäuren. Danach schaltet das Ökosystem auf die Fermentierung von Proteinen um, wobei verschiedene Toxine produziert werden, die ins Blut gelangen können.“ Zusammensetzung des Mikrobioms und Stuhlfrequenz miteinander verbunden Tatsächlich stellten die Wissenschaftler fest, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms einen Hinweis auf die Stuhlfrequenz liefern kann. Ballaststoff-fermentierende Darmbakterien, die häufig mit einem guten Gesundheitszustand in Verbindung gebracht werden, schienen bei einer Stuhlhäufigkeit im mittleren Bereich, zwischen den Extremen, gut zu gedeihen – also bei einem Toilettengang ein- bis zweimal am Tag. Bakterien jedoch, die mit der Proteinfermentierung assoziiert sind oder mit dem oberen Gastrointestinaltrakt, schienen in der Tendenz dann häufiger vorzukommen, wenn die Probanden entweder in die Gruppe mit Obstipation oder Diarrhoe einzustufen waren. Ebenso ergaben sich für verschiedene Stoffwechselprodukte im Blut und die chemischen Bestandteile des Plasmas signifikante Zusammenhänge mit der Stuhlfrequenz, was laut den Forschenden auf mögliche Verbindungen zwischen der Häufigkeit des Stuhlgangs und dem Risiko für chronische Erkrankungen hindeutet. Insbesondere Nebenprodukte der mikrobiellen Proteinfermentation, die sich bekanntermaßen negativ auf die Nierengesundheit auswirken (z.B. p-Cresol- und Indoxyl-Sulfat) erwiesen sich im Blut solcher Probanden als angereichert, die nach eigenen Angaben an Obstipation litten. Ein chemisches Profil, das mit Leberschäden in Verbindung gebracht wird, trat bei Personen mit Diarrhoe auf. Insbesondere die Blutwerte für Indoxyl-Sulfat waren signifikant mit einer verringerten Nierenfunktion assoziiert, was in dieser Kohorte von Gesunden als vorläufiger Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Stuhlhäufigkeit der mikrobiellen Verstoffwechselung im Darm und Organschäden angesehen werden kann. Wenig überraschend fanden sich solche Probanden in der sogenannten „Goldilocks-Zone“ in puncto Stuhlfrequenz wieder (also zwischen den Extremen), die sich ballaststoffreich ernährten, ausreichend tranken und regelmäßig körperlich aktiv waren. „Chronische Obstipation ist in der Vergangenheit mit neurodegenerativen Störungen in Zusammenhang gebracht worden, ebenso wie mit einer Krankheitsprogression bei Patienten mit einer aktiven Nierenerkrankung“, sagt Dr. Sean Gibbons vom ISB, korrespondierender Autor der Studie. „Es war jedoch bislang nicht klar, ob Abweichungen bei der Stuhlfrequenz als frühe Treiber einer chronischen Erkrankung und von Organschäden anzusehen sind oder nicht, oder ob diese retrospektiven Zusammenhänge bei kranken Personen lediglich Zufall sind. Hier, in einer Population mit allgemein Gesunden, zeigen wir, dass insbesondere die Obstipation mit Werten von mikrobiell gebildeten Toxinen im Blut assoziiert ist, die bekanntermaßen zu Organschäden führen – und das vor jeder Diagnose einer Erkrankung.“ In ihrer Studie untersuchte die Arbeitsgruppe außerdem Zusammenhänge zwischen der Stuhlfrequenz einerseits und Angststörungen und Depression andererseits. Gibbons berichtet dazu: „Insgesamt zeigte die Untersuchung, wie die Häufigkeit des Stuhlgangs alle Systeme des Körpers beeinflussen kann, und wie Abweichungen von einer normalen Stuhlhäufigkeit einen bedeutsamen Risikofaktor in der Entwicklung chronischer Erkrankungen darstellen können. Diese Erkenntnisse könnten als Grundlage für Strategien für das Management der Stuhlhäufigkeit dienen – auch bei Gesunden –, um Gesundheit und Wohlbefinden zu optimieren.“
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