Familiäre adenomatöse Polyposis: Mit Eye-Tracking und Künstlicher Intelligenz Polypen ins Visier nehmen

Ein Projekt der Universitätskliniken Würzburg und Bonn, gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung, erforscht die Entwicklung und den Einsatz eines KI-Polypenerkennungssystems, um die Darmkrebsvorsorge bei Betroffenen mit FAP zu verbessern. (Foto: © Universitätsklinikum Bonn (UKB/ Robert Hüneburg)


Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert ein Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe Interventionelle und Experimentelle Endoskopie (InExEn) am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) mit mehr als 200.000 Euro.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Hann will in Kooperation mit dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am Universitätsklinikum Bonn die Darmkrebsvorsorge bei Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) verbessern und dabei Eye-Tracking und Künstliche Intelligenz einsetzen.

Bei der Koloskopie können Polypen zuverlässig erkannt, klassifiziert und entfernt werden. Anders sieht es bei Patienten mit der Diagnose „familiäre adenomatöse Polyposis“ (FAP) aus: Hier bilden sich schon in jungen Jahren hunderte bis tausende von Polypen im Darm. Bei ihnen ist ohne eine entsprechende Behandlung Darmkrebs zu 100 Prozent vorprogrammiert. Häufig wird deswegen eine prophylaktische Entfernung des Dickdarms durchgeführt. Dies ist jedoch nicht ungefährlich und kann zu Problemen wie Unfruchtbarkeit, Inkontinenz und häufigem Stuhlgang führen. Deshalb versucht man, den Zeitpunkt der Operation so weit wie möglich hinauszuschieben, was allerdings eine engmaschige Überwachung erfordert. Doch wie zählt man Hunderte von Polypen im Dickdarm, misst ihre Größe und registriert Veränderungen?

„Mit KI“, sagt Hann, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie am Uniklinikum Würzburg (UKW) und Professor für Digitale Transformation in der Gastroenterologie. Seine interprofessionelle Arbeitsgruppe InExEn hat gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Dr. Hüneburg/Prof. Nattermann aus dem Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen (NZeT) des Universitätsklinikum Bonn ein Forschungsprojekt zur objektiven Bestimmung der Ausdehnung von Dickdarmpolypen bei FAP-Patienten entwickelt. Das Projekt mit dem Titel „Darmkrebsvorsorge bei Patientinnen und Patienten mit bekannter familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) mittels Eye-Tracking und künstlicher Intelligenz“ wird von der Wilhelm Sander-Stiftung über zwei Jahre mit 204.480 Euro gefördert.

Polypen mit Blick annotieren und Größe diktieren

Es sei ein gewagtes Projekt, sagt Hann, aber es baue auf früheren Studien, Erfindungen und Erfahrungen auf, die man alle miteinander „verheiraten“ könne. So hat seine Arbeitsgruppe InExEn mit Endomind eine KI zur Polypenerkennung entwickelt (publiziert in „Endoscopy“). Mit dem Echtzeit-Polypenerkennungssystem können selbst kleine, kaum sichtbare Polypen mit einem blauen Rahmen für den Untersuchenden hervorgehoben werden. Ein gleichzeitig als Referenz eingeführtes Instrument dient zur Größenabschätzung der Polypen.

Hinzu kommen nun eine Eye-Tracking-Technologie und eine Spracherkennungssoftware. „Betrachte ich als Untersuchender einen Polypen, weiß die Eye-Tracking-Software genau, wohin mein Blick geht. Diktiere ich dann noch die zuvor anhand des Instruments geschätzte Größe des Polypen, werden diese Informationen verknüpft, und wir wissen, dass Polyp Nummer 4 zum Beispiel 4 oder 10 Millimeter groß ist“, erklärt Hann.

Neue Möglichkeiten für die Überwachung von Patienten mit FAP

Als erster Meilenstein wird diese Polypenbewertung mit dem aktuellen Goldstandard verglichen. In einem zweiten Schritt soll das KI-basierte Erkennungssystem mit den gesammelten Daten der annotierten Polypen trainiert werden, um die Polypen erneut zu identifizieren und die Polypengröße zu schätzen. Im Projekt konzentrieren sich die Forscher zunächst auf zwei Dickdarmabschnitte von jeweils 30 Zentimetern. Nach einem Jahr soll die Leistungsfähigkeit der KI evaluiert werden. „Eine positive Bewertung der Leistungsfähigkeit unseres KI-Polypenerkennungssystems wird ganz neue Möglichkeiten für die Überwachung von Patientinnen und Patienten mit FAP eröffnen“, ist sich Hann sicher.

„Unser Ziel ist es das Ausmaß der Polypenbelastung zu objektivieren und somit zu standardisieren. Dann kann die Notwendigkeit einer risikomindernden Operation bestimmt werden, was bisher immer vom behandelnden Gastroenterologen und Chirurgen abhängig war. Wir hoffen, dass dies zu weniger Über- oder Unterbehandlung dieser seltenen Erkrankung führen kann“, sagt Dr. Robert Hüneburg vom Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen des Magen-Darm-Traktes des Universitätsklinikums Bonn. Das Bonner Zentrum gilt als eines der größten Zentren für die FAP weltweit.