Fettsäuremangel an Serotoninrezeptoren kann Depressionen auslösen13. September 2019 Dr. Nataliya Gorinski und Prof. Evgeni Ponimaskin. (Foto: MHH/Karin Kaiser) Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei der Depression typische Veränderungen im Gehirn vorliegen, die auch die Neurotransmitter betreffen. Die Fettsäure Palmitat scheint hierbei offenbar eine entscheidende Rolle zu spielen, wie Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) herausgefunden haben. Bei der Depression scheinen Neurotransmitter wie das Serotonin aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Die genauen molekularen Abläufe im Gehirn Betroffener sind bislang jedoch nur unzureichend erforscht. Nun hat ein Team um Prof. Evgeni Ponimaskin vom Institut für Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gezeigt, dass die Fettsäure Palmitat offenbar eine entscheidende Rolle spielt. „Fehlt die Fettsäure, funktioniert ein wichtiger Serotoninrezeptor nicht mehr richtig“, sagte Ponimaskin. Um den fatalen Folgen depressiver Störungen auf die Spur zu kommen, haben die Neurophysiologen die Rolle des Palmitats und der dazugehörigen Steuermechanismen nicht nur in Zellkulturen sowie im Gehirn von Mäusen und Ratten untersucht. Dank einer Kooperation mit einer Psychiatrischen Klinik in den USA konnten sie auch Gehirnproben von Suizidopfern analysieren, die unter Depressionen litten. „In unserer Studie haben wir gezeigt, dass die natürlich vorkommende Modifikation des Serotoninrezeptors 5-HT1ARs mit der Fettsäure Palmitat für die physiologischen Rezeptorfunktionen unbedingt notwendig ist“, erklärte der Neurophysiologe. Wenn diese Modifikation fehlt, kann der Rezeptor nicht mehr aktiviert werden. Auch das zuständige Enzym, das Palmitat auf den Rezeptor überträgt, haben die MHH-Forscher identifiziert. In zwei verschiedenen Nagetiermodellen konnten sie eine verringerte Expression dieses Enzyms sowie eine stark abgeschwächte Modifikation des 5-HT1AR mit dem Palmitat nachweisen. Wird das Enzym etwa im Vorderhirn von Mäusen selektiv ausgeschaltet, entwickeln die Tiere spontan ein sehr starkes depressionsähnliches Verhalten. Auf der Suche nach Mechanismen, die die genetische Umsetzung des Palmitat-übertragenden Enzyms steuern, hat das Forscherteam in Kooperation mit Prof. Thomas Thum, Leiter des MHH-Instituts Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien, einige regulatorische Moleküle – sogenannte MicroRNAs – identifiziert. Diese waren im Gehirn von suizidalen Opfern deutlich häufiger zu finden als bei Gesunden, während gleichzeitig die Expression des Palmitat-übertragenden Enzyms sowie der Grad der Modifikation des 5-HT1ARs mit dem Palmitat verringert waren. „Als nächstes hoffen wir einen passenden Biomarker zu finden, um suizidales Verhalten früh identifizieren zu können“, sagte Ponimaskin. In Zusammenarbeit mit Prof. Kai Kahl, Geschäftsführender Oberarzt an der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, soll ein Bluttest entwickelt werden, der suizidale Neigungen bei depressiven Patienten frühzeitig zu erkennen hilft. Langfristig wollen Ponimaskin und sein Team außerdem eine MicroRNA-basierte Therapie entwickeln, mit deren Hilfe Depressionen künftig spezifisch und erfolgreich behandelt werden können. Originalpublikation: Gorinski N et al.: Attenuated palmitoylation of serotonin receptor 5-HT1A affects receptor function and contributes to depression-like behaviors. Nature Communications 2019;10:3924.
Mehr erfahren zu: "Körperliche und geistige Aktivität beeinflussen Alzheimer-Biomarker positiv" Körperliche und geistige Aktivität beeinflussen Alzheimer-Biomarker positiv Studie aus der Mayo Clinic zeigt: Bei älteren Erwachsenen ohne Demenz hängt regelmäßige körperliche und geistige Aktivität mit günstigeren Verläufen von Alzheimer-Biomarkern zusammen – weniger Amyloidablagerung, geringere synaptische Dysfunktion und […]
Mehr erfahren zu: "Psychische Belastung bei CED-Diagnose: Studiendaten sprechen für Beteiligung reeller Effekte der Darm-Hirn-Achse" Weiterlesen nach Anmeldung Psychische Belastung bei CED-Diagnose: Studiendaten sprechen für Beteiligung reeller Effekte der Darm-Hirn-Achse Die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten wie Ängsten oder Depressionen ist bei Patienten mit diagnostizierten Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) recht hoch. Es ist jedoch ungeklärt, ob diese Symptome auf reelle Darm-Hirn-Effekte zurückzuführen sind […]
Mehr erfahren zu: "Wie und warum Bewegungsstörungen entstehen" Wie und warum Bewegungsstörungen entstehen Ein Interview mit der Autorin Dr. Lisa Harder-Rauschenberger und dem Autor Prof. Dr. Chi Wang Ip aus der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) zur Rolle von peripheren […]