Forscher entdecken Schlaf-Wach-Schaltzentrale im Hirn

Prof. Antoine Adamantidis (© Tanja Läser für Insel Gruppe)

Bislang wurde vermutet, dass verschiedene Hirnregionen für das Einschlafen und Aufwachen zuständig sind. Nun haben Berner Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler entdeckt, dass eine einzelne Schaltzentrale im Gehirn den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert.

Während des Einschlafens zeigen sich im Elektroenzephalogramm (EEG) rhythmische Oszillationen des Gehirns, sogenannte “langsame Wellen”. Bisherige Erkenntnisse ließen darauf schließen, dass diese langsamen Wellen in der Grosshirnrinde produziert werden. Im Gegensatz dazu wurde vermutet, dass das Aufwachen von “Aufwachzentren” verursacht wird, die sich im unteren Teil des Gehirns befinden. Dort ist auch der Hirnstamm, der den Neocortex steuert, von dem motorische, sensorische und intellektuelle Funktionen ausgehen.

Nun haben Forscher des Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern entdeckt, dass Nervenzellen im Thalamus sowohl das Einschlafen als auch das Aufwachen steuern.

Ein- und Ausschalten des Schlafs

Das Team um Prof. Antoine Adamantidis entdeckte, dass eine kleine Gruppe dieser thalamischen Nervenzellen sowohl das Aufwachen als auch das Einschlafen kontrollieren, indem sie einerseits langsame Wellen generieren, aber auch das Signal zum Aufwachen geben – je nach elektrischer Aktivität. In ihrer Untersuchung setzten die Forscher die Optogenetik ein, um die thalamischen Nervenzellen von Mäusen präzise zu steuern. Wenn sie die Nervenzellen mit regelmäßigen, lang andauernden Impulsen stimulierten, wachten die Tiere auf. Wenn sie langsame, rhythmische Impulse verwendeten, hatten die Mäuse einen tieferen und erholsameren Schlaf.

Somit konnte zum ersten Mal eine Hirnregion bestimmt werden, die sowohl für den Schlaf als auch das Aufwachen zuständig ist. “Interessanterweise konnten wir auch zeigen, dass die Schlafqualität leidet, wenn die Aktivität der thalamischen Nervenzellen unterdrückt wird”, sagte Dr. Thomas Gent, Erstautor der Studie. “In diesen Fällen war die Erholung nach einer schlaflosen Phase schlechter. Deshalb vermuten wir, dass diese Nervenzellen für die Erholung im Schlaf nach einer längeren Wachphase von fundamentaler Bedeutung sind.”

Durchbruch für die Schlafmedizin

Die Ergebnisse sind laut der Forscher wichtig, weil Menschen heute durchschnittlich rund 20 Prozent weniger schlafen als vor 50 Jahren und viele unter chronischen Schlafstörungen leiden. So kann Schlaf, der etwa durch irreguläre Arbeitszeiten verloren geht, nur selten nachgeholt werden. Schlafmangel wird zunehmend mit einer Vielzahl von psychischen Krankheiten in Verbindung gebracht und schwächt das Immunsystem. “Wir sind davon überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Schlaf-Wach-Zyklus der Schlüssel zu neuen Schlaftherapien in einer zunehmend schlaflosen Gesellschaft ist”, sagte Adamantidis.

Originalpublikation:
Gent T et al.: Thalamic control of sleep and wakefulness. Nature Neuroscience, 11. Juni 2018