Forscher finden geschlechtsspezifische Unterschiede bei zerebraler Mikroangiopathie

Thomas Gattringer (l.) und Simon Fandler-Höfler (Foto: Med Uni Graz/Wittmann)

Die zerebrale Mikroangiopathie ist eine Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Gehirn und stellt eine der Hauptursachen für Schlaganfälle dar. Eine internationale Studie unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz zeigt nun, dass Männer und Frauen unterschiedlich von dieser Erkrankung betroffen sind.

Die zerebrale Mikroangiopathie (SVD) ist für rund 20 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich und stellt die häufigste Ursache für intrazerebrale Blutungen dar. Neben diesen akuten Ereignissen trägt SVD auch erheblich zu langfristigen kognitiven Einschränkungen und zur Entwicklung von Demenz im Alter bei. Die Erkrankung führt durch Veränderungen in den kleinen Blutgefäßen im Gehirn zu Durchblutungsstörungen, die das Gehirngewebe schädigen. „Trotz der hohen klinischen Relevanz dieser Krankheit war bislang wenig über die Unterschiede in deren Auswirkungen auf Männer und Frauen bekannt“, erklärt Studienautor Simon Fandler-Höfler von der Universitätsklinik für Neurologie der Med Uni Graz, Österreich.

Um der hohen klinischen Relevanz dieses Geschlechterunterschieds in der zerebralen Mikroangiopathie gerecht zu werden, widmeten sich die Wissenschaftler gemeinsam mit internationalen Kollegen dieser Fragestellung und führten eine umfassende Datenanalyse durch. Dabei griffen sie auf die Daten des Microbleeds International Collaborative Network (MICON) zurück, die Informationen von mehr als 20.000 Patienten aus 38 weltweiten Kohorten (darunter aus Graz) umfassen. „Diese Patientinnen und Patienten hatten alle einen ischämischen Schlaganfall, also einen Schlaganfall durch die Verstopfung eines Gehirngefäßes, erlitten“, beschreibt Thomas Gattringer, Leiter der Forschungseinheit „Pathomechanismen des Schlaganfalls“. Sie wurden mithilfe von MRT-Scans gezielt auf typische Folgen und Veränderungen der kleinen Blutgefäße untersucht.

Hirnschädigungen: geschlechtsspezifische Unterschiede im Forschungsfokus

In ihren Untersuchungen stießen die Wissenschaftler auf interessante Unterschiede zwischen Männern und Frauen: So zeigte sich, dass Männer häufiger von Mikroblutungen im Gehirn betroffen sind – rund 28 Prozent der untersuchten Patienten wiesen mindestens eine solche Mikroblutung auf, wobei die Prävalenz bei Männern deutlich höher lag als bei Frauen.

Bei Frauen hingegen zeigte sich häufiger eine Schädigung der weißen Gehirnsubstanz: sogenannte Marklagerhyperintensitäten, die als Veränderungen auf MRT-Bildern sichtbar sind und auf eine Schädigung der Nervenverbindungen als Folge einer chronischen Minderdurchblutung hindeuten. Besonders bemerkenswert war, dass Mikroblutungen bei Frauen mit einem erhöhten Sterberisiko einhergingen – ein Risiko, das bei Männern mit ähnlichen Veränderungen nicht zu beobachten war.

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass Männer und Frauen unterschiedlich anfällig für bestimmte Schädigungsprozesse der Gefäße im Gehirn sind“, fasst Fandler-Höfler zusammen. Während Männer häufiger von Mikroblutungen und kleinen „Lakunen“ betroffen sind, zeigen Frauen eher Veränderungen in der weißen Substanz. „Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede und vor allem deren Verständnis könnten wichtige Impulse für die zukünftige Forschung und die daraus abgeleitete Entwicklung zielgerichteter Therapieansätze geben“, sind sich die beiden Experten einig. So könnten langfristig sowohl die Prävention als auch die Therapie und Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig verbessert werden.