Fortgeschrittene Lebererkrankung: Identifizierung mit einfachen Bluttests

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Ein österreichisches Team hat einen Schwellenwert für einen einfachen Bluttest ermittelt, mit dem Personen mit Lebererkrankung und einem erhöhten Risiko für Komplikationen auch ohne Spezialuntersuchung identifiziert werden können.

Außerdem konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass nichtinvasive Tests vergleichbar gute Aussagen wie minimalinvasive Tests zulassen. Die Studien bieten der Medizinischen Universität (MedUni) Wien (Österreich) zufolge eine Grundlage für die Förderung der Lebergesundheit durch Früherkennung. In Österreich werden keine strukturierten Programme zur Identifizierung asymptomatischer Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung angeboten, auch weil die Verfügbarkeit der bisher dafür notwendigen Spezialuntersuchungen (wie z.B. die ultraschallbasierte Lebersteifigkeitsmessung) weitgehend auf hepatologische Schwerpunktabteilungen beschränkt ist.

Neuer Schwellenwert im Labor identifiziert Risikopatienten

In der ersten der beiden aktuellen Studien analysierte die Forschungsgruppe der Universitätsklinik für Innere Medizin III (Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der) rund um Dr. Georg Semmler, Dr. Lukas Hartl, Mathias Jachs und PD Dr. Mattias Mandorfer einige Tausend Patienten aus Wien und Salzburg, um einen Schwellenwert für den FIB-4-Score (einfach aus einer Routine-Laboranalyse errechenbar) zu bestimmen, der einer Lebersteifigkeit von 10 kPa – also einer fortgeschrittenen Lebererkrankung – entspricht. Die dadurch erfasste Personengruppe weist ein massiv erhöhtes Risiko für leberbezogene Komplikationen (Aszites, gastrointestinale Blutungen, Delir) auf und bedarf einer unmittelbaren hepatologischen Abklärung und Therapie. „Bisherige Schwellenwerte dürften entweder zu wenig spezifisch beziehungsweise sensitiv gewesen sein, wodurch zu viele Gesunde fälschlich erfasst beziehungsweise Erkrankte übersehen wurden“, erläutern die Erstautoren Semmler und Hartl.

Individuelles Risiko lässt sich schonend bestimmen

In einer weiteren Studie wies die Forschungsgruppe nach, dass mittels nichtinvasiver Tests (Lebersteifigkeitsmessung und/oder Bluttests) das individuelle Risiko der so erfassten Patient en vergleichbar gut wie mit der minimalinvasiven Ermittlung des Lebervenendruckgradienten eingeschätzt werden kann. Erstautor Jachs fasst zusammen: „Bei Risikopatient:innen wurde bisher mit einer minimalinvasiven Messung des Lebervenendruckgradienten festgestellt, ob Medikamente zur Reduktion der Dekompensationswahrscheinlichkeit verabreicht werden sollen. Diese Messung des Lebervenendruckgradienten stellt jedoch eine – wenn auch geringe – Belastung für die Patient:innen dar und benötigt vor allem große ärztliche Expertise, die nicht breit verfügbar ist. Wir konnten nun zeigen, dass verschiedene nichtinvasive Tests diese Aufgabe verlässlich übernehmen können.“

Förderung der Lebergesundheit in Österreich

„Trotz der hohen Bedeutung der fortgeschrittenen Lebererkrankung für die Volkswirtschaft bzw. -gesundheit und der hervorragenden therapeutischen Möglichkeiten bei frühzeitiger Erkennung ist in Österreich keine entsprechende Vorsorgeuntersuchung etabliert“, erklärt Hepatologe Mandorfer. „Mein Ziel als Leiter der Arbeitsgruppe Hepatologie der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) ist es, den ermittelten FIB-4-Schwellenwert von 1,75 für alle Patient:innen mit Risikofaktoren für Lebererkrankungen in die österreichische Gesundenuntersuchung aufzunehmen. Für die neu detektierten Patient:innen sollten in Folge auch flächendeckend nichtinvasive weiterführende Untersuchungen angeboten werden. Neben der Lebersteifigkeitsmessung und dem in Österreich entwickelten VITRO-Score wird auch der Milzsteifigkeitsmessung eine zentrale Bedeutung zukommen.“