Gassen: “Knappe Ressource Arzt dort zum Einsatz bringen, wo sie wirklich gebraucht wird”6. Dezember 2019 andreas gassen2_AX170413-1386 Lopata_AxentisFoto: lopata/axentis Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) betonte auf ihrer Vertreterversammlung, dass sie für die „ambulante Versorgung 24/7“ gut gerüstet ist. „Mit dem Schritt zu einem ‚Versorgungsportal‘ hinter der bundesweiten Patientenservice-Nummer 116117 nutzen wir ab 2020 die gesamte Bandbreite technischer Möglichkeiten, damit die knappe Ressource Arzt und Psychotherapeut dort zum Einsatz kommt, wo sie wirklich gebraucht wird“, erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, am 06.12.2019 auf der Vertreterversammlung in Berlin. Das zu Ende gehende Jahr 2019 brachte eine wahre Flut an Gesetzen mit sich. „Nicht alles, was aus dem Bundesgesundheitsministerium an Gesetzen kam, ist im Sinne der Ärzteschaft gewesen. Insbesondere das vorgelegte Tempo war an einigen Stellen schon recht hoch“, kritisierte der KBV-Chef. Er erkannte aber an, dass sich Minister Jens Spahn gesprächsbereit zeigte. „Wenn wir unsere Argumente sachlich begründen, dann haben wir auch Erfolg und werden gehört“, lautete sein Fazit. Versorgungsportal 116117 Das nächste Jahr bringt weitere Neuerungen als Folge des Terminservice- und Versorgungsgesetzes mit sich. Ab 2020 sollen die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) unter der bundesweiten Nummer 116117 rund um die Uhr erreichbar sein. Zusätzlich unterstützt das standardisierte Ersteinschätzungsverfahren (SmED) die Behandlung der Patienten, indem mithilfe einer Software Beschwerden abgefragt und Patienten in die richtige Versorgungsebene geleitet werden: Rettungsdienst, Notaufnahme, ärztlicher Bereitschaftsdienst oder Arztpraxis. Die Website 116117.de sowie die 116117.app ergänzen das Angebot. Die Terminvermittlung per App wird Anfang des Jahres möglich sein, die Ersteinschätzung etwa Mitte des Jahres. „Die neuen Funktionen bieten die Chance, eine medizinisch sachgerechte Koordinierung der Patienten zu etablieren“, erläuterte Gassen. Die im August gestartete „Elfen-Kampagne“, die das Ziel der Bekanntheitssteigerung der 116117 hat, soll 2020 nach Gassens Angaben in die zweite Runde gehen. „Wir sind sehr zufrieden mit der ersten Phase der Elfen-Kampagne. Wie die Zahlen zeigen, war sie bisher auch erfolgreich: Nach zuvor 26 Prozent wissen mittlerweile 34 Prozent der Befragten, wen man unter der 116117 erreicht – eine Steigerung, die uns freut, an der wir aber weiterarbeiten. Im kommenden Jahr starten wir in die zweite Phase der Kampagne, in der die neuen Leistungen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes beworben werden“, sagte der KBV-Chef. Zur Vergütungsreform In seiner Rede ging Gassen auch auf die von der Politik im Koalitionsvertrag angestoßene Arbeit an einer Vergütungsreform ein. Dafür hat das Bundesgesundheitsministerium eine wissenschaftliche Kommission eingesetzt. Dabei gibt es auch Spekulationen über eine einheitliche Gebührenordnung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung. Diese lehnte Gassen ab, fügte aber hinzu: „Es kann allerdings nicht sein, dass dieselben Leistungen in Kliniken und Praxen unterschiedlich bezahlt werden. Hier wären einheitliche Preise absolut wünschenswert.“ Weiter erklärte er: „Unser duales Versicherungssystem ist grundsätzlich in Ordnung und hat sich bewährt. Allerdings sollten Hürden abgebaut und das Beste aus zwei Welten zusammengeführt werden, um den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten. Eine Möglichkeit sind Zusatztarife bei der gesetzlichen Krankenversicherung, beispielsweise auch für Homöopathie. Umgekehrt könnte die private Krankenversicherung eine Grundsicherung auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung anbieten – ohne Gesundheitsprüfung. Sicher gäbe es noch weitere denkbare Modelle, alle wären aber besser für unsere Patienten als eine Bürgerversicherung!“ „Revolutionäres“ Programm zur Ersteinschätzung Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, sprach auf der Vertreterversammlung noch weitere Themen an. Zuerst einmal machte er den Teilnehmern Mut: „KBV und KVen sichern die ambulante Versorgung 24/7. Wir können das! Wir brauchen dazu weder einen dritten Sektor noch eine Öffnung der Krankenhäuser.“ Das medizinische Ersteinschätzungsprogramm SmED bezeichnete er als revolutionär „Es ist weltweit einzigartig, einen solchen Service, den die KVen dann sukzessive anbieten werden, flächendeckend für die ganze Bevölkerung bereitzustellen. Wir heben damit die Sicherstellung der medizinischen Versorgung – nicht nur technisch – in ein neues Zeitalter“, erklärte Hofmeister. Der Gesetzgeber verstehe Digitalisierung dagegen als „iterativen Prozess“, bei dem man Schritt für Schritt vorangehe – das aber, „so schnell wie möglich! Das Thema Gesundheit ist zu wichtig, um nach der Devise ‚Schau’n wir mal, dann seh’n wir schon‘ zu verfahren“, betonte Hofmeister. Den Praxen könne nicht zugemutet werden, bestimmte Vorgaben mit engen Fristen umzusetzen, wenn es nach einem Jahr oder einem halben aus der Politik heiße, „Ach, klappt so nicht, machen wir doch anders“. Auch für die Patienten birgt ein solches Vorgehen erhebliche Risiken. Delegation ja, Substitution nein In seiner Rede ging er auch darauf ein, bestimmte ärztliche Tätigkeiten an medizinisches Fachpersonal abzutreten: „Aufgaben zu delegieren kann absolut sinnvoll sein. Sorgen, dass Ärztinnen und Ärzte ersetzt werden könnten, sind unbegründet – einfach, weil sie nicht ersetzbar sind. Weder durch Künstliche Intelligenz noch durch andere Berufe. Wichtig ist, dass wir selbst schauen, welche Aufgaben delegierbar sind und welche nicht. Eine Substitution, also die Delegation nicht nur der Aufgabe, sondern auch der therapeutischen Verantwortung, lehnen wir hingegen konsequent ab.“ (KBV/ms)
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